Stefan K. Beck, Privatgelehrter und Projektemacher

Unabhängigkeit

Kapitel 7.b. Neugranada: Kampf gegen die Königstreuen

Nach den gescheiterten Verhandlungen zwischen Bogota und dem Bund der Provinzen an Sylvester, bereiteten sich beide Seiten auf den militärischen Konflikt vor. Atanasio Giradot eroberte den strategisch wichtigen Berg Monserrate im Osten des belagerten Bogotá am 05. Januar. Der Diktator der Cundinamarca, Antonio Nariño, bot den Föderalisten daraufhin den Einzug in die Stadt unter der Bedingung des freien Abzugs für führende Zentralisten an. Der Oberbefehlshaber der Föderalisten, Antonio Baraya, zog jedoch die Entscheidung auf dem Schlachtfeld vor.

Ein eher unbedeutender Sieg einer kleinen Abteilung der Zentralisten unter dem französischen Mineralogen, der die Kanonenproduktion leitete, drehte die Stimmung, vor allem bei den Belagerten. Nariño bereitete daher die Entscheidungsschlacht am 09. Januar bei San Victorino mit einem fingierten Stillhaltebefehl für Giradot auf dem Monserrate vor. Nach längerem Kampf gelang es schließlich den Truppen der Cundinamarca, die Formationen Barayas in Unordnung zu versetzen, und so einen umfassenden Sieg davonzutragen. Der Großteil der Föderalisten geriet dabei in Gefangenschaft.

Trotz des Sieges war Nariño nicht in der Lage, die Macht des Kongresses ernsthaft zu gefährden, und damit war er auch weit von der angestrebten Landeseinheit entfernt. Im Februar kam es daher erneut zu Verhandlungen. Nariño war bereit, endlich den Provinzen bei ihrem Kampf gegen die Spanier unter die Arme zu greifen, wenn diese sich auf die Gestaltung der Verfassung zu beschränken bereit wären, und ihm landesweit die Exekutive überließen. Da es aber zu keiner Einigung kam, und der Kongreß letztlich geschickter taktierte als Nariño, stand man wieder vor der gleichen Situation, wie vor dem Bürgerkrieg.

Derweil hatten die im vergangenen Jahr begonnen Feldzüge von Cartagena zeitweilige Erfolge. Pierre Labatut, konnte am 06. Januar in Santa Marta einziehen, aber seine Maßnahmen als Statthalter der Republik erzeugten Unmut, der sich in einem von den Indianern unterstützten Aufstand Anfang März entlud. Er floh aus der Hafenstadt, und setzte sich nach Barranquilla ab. Die Provinzregierung von Cartagena enthob ihn deswegen seines Amtes und verwies ihn des Landes.

Der Feldzug von Simon Bolivar, der von El Banco nach Ocaña marschierte, nachdem er einen Schwenk nach Nordosten zum Rio Cesar durchgeführt und die dort agierenden Spanier besiegt hatte, war letztlich ebensowenig nachhaltig, denn die Royalisten eroberten nach seinem Weggang die Gebiete wieder zurück. Ocaña, wo die Patrioten von Mariquita bereits drei Monate vorher für die Schaffung republikanischer Verhältnisse gesorgt hatten, erreichte er am 08. Januar. In den folgenden Wochen konsolidierte er seine Position, bevor er Mitte Februar, nun im Auftrag des Kongresses der Provinzen, seinen Feldzug an die venezolanische Grenze fortsetzte.

Der seit Mitte 1812 die Grenzregion um Cucuta besetzt haltende Ramon Correa y Guevarra, besiegte bei einem Vorstoß nach Piedecuesta am 09. Januar die Verteidigung Pamplonas unter Manuel Castillo y Rada. (Sein Auftauchen hier ist ungeklärt, dürfte aber auf politische Differenzen in Cartagena zurückzuführen sein.) Die Niederlage alarmierte den Bund der Provinzen, und so war das Angebot Bolivars nach seinem Magdalena-Feldzug, sich um den Eindringling zu kümmern, willkommen.

Über das sich ergebende Royalistendorf Bucaramanga zog Bolivar an den La-Aguada-Paß, zirka 65 Kilometer südlich von Cucuta. An dieser strategisch wichtigen Geländemarke befanden sich bei seinem Eintreffen am Abend des 21. Februar nur rund hundert Soldaten. Mit dieser Truppe wäre der Paß auch gegen einen zahlenmäßig weit überlegenen Gegner zu halten gewesen, aber Bolivar ließ in der Nacht mit großem Lärm anrücken. Die Spanier ließen sich täuschen, und flohen. Die Patrioten stießen in das Tal des Rio Zulia vor, dem sie nach Norden folgten. Die hier stehenden Abteilungen Correas besiegte Bolivar in den folgenden Tagen und stieß auf Cucuta vor. Die zahlenmäßig fast doppelt so starken Spanier in der Stadt griff er am 28. an, verschanzte sich auf einen Hügel, und überstand die Gegenangriffe von Correa. Anschließend führte José Felix Ribas den entscheidenden Bajonettangriff. Bolivar ließ die Flüchtenden in den nächsten Tagen verfolgen. Mit diesem Sieg sicherte Bolivar die Grenzregion und erhielt dafür seinen ersten Generalsrang. In der Folgezeit setzte er sich beim Kongreß dafür ein, die Grenze mit einem Vorstoß nach Venezuela nachhaltig zu sichern.

Da seit der Niederlage von San Victorino im Januar die militärischen Mittel des Bundes der Provinzen stark eingeschränkt waren, ließ er den Sieger, Nariño, Truppen für Bolivars geplanten Feldzug stellen: die Kriegsgefangenen vom Bürgerkrieg, zu denen eine Reihe von Offizieren gehörten, die später zu den bekanntesten Persönlichkeiten des Krieges zählten. Nach Abschluß der Verhandlungen mit dem Kongreß, der am 31. März einen begrenzten Einmarsch Bolivars nach Venezuela gestattet, und Nariño 500 Soldaten dazu bereitgestellt hatte, befahl der Venezolaner den Angriff auf die bei der Felsenge von La Grita, rund 50 Kilometer nördlich von San Cristobal, liegenden Spanier von Correa. Manuel Castillo y Rada war allerdings erst nach massiven Drohungen wegen Befehlsverweigerung bereit, am 13. April den Angriff zu führen. Nach dem Sieg verbrachte Bolivar noch einen Monat damit, sein Heer mit Freiwilligen zu verstärken und zu organisieren, bevor er zu seiner Campaña Admirable (Bewunderungswürdiger Feldzug) aufbrach. Dieser ist im folgenden Venezuela-Unterkapitel beschrieben.

Wegen der öffentlich in den Zeitungen ausgetragenen Streitigkeiten zwischen Cartagena und Bogota, erhielt die Hafenstadt keine Unterstützung in Kampf gegen die Spanier von Nariño. Diese hatten durch die Rückeroberung von Santa Marta wieder Oberwasser bekommen, was die Junta von Cartagena bewog, erneut eine Militärexpedition dorthin zu schicken. Louis Bernard Chantillon war mit einer Flottille inklusive Truppentransportern Anfang Mai entlang der Küste nach Osten gesegelt. Dreißig Kilometer südlich von Santa Marta, ließ er am 10. ausschiffen. Von Royalisten beobachtet, stellten diese ihm mit einer fast dreifachen Übermacht jedoch eine Falle, in der zwei Drittel seiner Soldaten verlorengingen. Santa Marta stellte damit weiterhin eine Gefahr an der Nordküste dar.

Bereits am 02. Februar hatte sich die Provinz Novita unabhängig erklärt und fusionierte mit dem unabhängigen Quibdo am 02. September zum Choco. In diesem Jahr folgten die letzten Nachzügler der Unabhängigkeitserklärung: die Cundinamarca am 16. Juli und Antioquia am 24. August.

Nach dem Abmarsch Bolivars im Mai, war Francisco de Paula Santander, der an der Seite von Castillo y Rada mit Bolivar gestritten hatte, von diesem zur Grenzsicherung zurückgelassen worden und hatte in den folgenden Wochen in Cucuta seine Truppe mit Verstärkungen aus dem Umland auf 200 Mann aufgestockt. Diese waren an verschiedenen Standorten ab Ende August mit den königstreuen Guerillas von Aniceto Matute und Ildefonso Casas beschäftigt. Durch ein Netz von Spioninnen, dem eine der Verehrerinnen Bolivars, Mercedes Abrego Reyes, vorstand, konnte Santander nach teilweise verheerenden Anfangserfolgen der Guerilla die Lage halbwegs unter Kontrolle halten. Mit dem Eintreffen von Bartolomé Lizon aus Maracaibo Anfang Oktober, verschärfte sich die Lage Santanders dramatisch, da die Royalisten nun über fast fünfmal so viele Kämpfer verfügten, wie dieser. Mitte Oktober mußte Santander Cucuta aufgeben und war am 18. nahe Villa del Rosario gegen die immer noch dreifachen Übermacht unterlegen. Mit nur wenigen Männern entkam er dem Schlachtfeld, womit die Heimatverteidigung von Pamplona aufgehört hatte, zu existieren. Lizon nutzte diesen Umstand, um reihenweise Patrioten, darunter auch Abrego, hinrichten zu lassen. Im Dezember zogen die Königstreuen in der Stadt Pamplona ein, die von den Bewohnern weitgehend evakuiert worden war. Nachdem der Ort geplündert und teilweise zerstört worden war, begaben sich Lizon und seine Truppen nach Bucaramanga, das ebenfalls niemand verteidigte.

Während Nariño bei einer Versammlung des Wahlkollegiums Mitte Juni eine verheerende Bilanz der ersten drei Jahre der Selbstbestimmung zog, erwuchs im Süden des Landes eine neue Gefahr. Der Bataillonskommandeur Juan Samano, der 1810 gezwungenermaßen auf die Junta in Bogota geschworen hatte, war nach Spanien zurückgekehrt und hatte dort außerordentliche Vollmachten im Kampf gegen die Patrioten erwirkt. Mit Truppen von Toribio Montes, dem Gerichtspräsidenten von Quito, war er nach Pasto gekommen, wo er sein Heer auf über zweitausend Mann verstärkt hatte. Einen Monat später, am, 01. Juli, erreichte er Popayan, das ihm keinen Widerstand leistete. Cali, wo der Franzose Alfred Emanuel Roergas de Serviez, eine kleine Garnison führte, wurde aufgegeben und Samano ließ die Republikaner verfolgen. Auf dem Weg nach Norden und über die Zentralkordillere wurden die Patrioten attackiert, aber Serviez gelang mit seinen Soldaten immer wieder die Flucht. Die Dörfer, die den Truppen Samanos in die Hände fielen, hatten allerdings unter schwer zu leiden.

In Kenntnis des Zuges beschloß Nariño, ebenfalls ein starkes Heer aufzubieten, um den Royalisten entgegenzuziehen. Ende August waren die Vorbereitungen abgeschlossen und das Heer brach auf, während der Diktator der Cundinamarca erst einen Monat später folgte. Südlich von Ibague traf Serviez schließlich im September mit den Heer Nariños zusammen. Mit dem (angeblich) Deutschen Baron von Schambourg und dem Spanier Manuel Cortes Campomanes trainierte der Franzose die Truppen der Republik. Bei einem nächtlichen Umtrunk verunglimpfte vor allem der Baron über die aus europäischer Sicht mangelnde Fähigkeit von Nariño, der sich zum Generalleutnant hatte befördern lassen. Diese eigentlich harmlose Begebenheit, bauschte Nariño zum Hochverrat auf, womit er sich der eigentlich dringend benötigten Ausbildung und Erfahrung der Europäer beraubte. Die Vorwürfe gegen Serviez und Campomanes wurden viel später von einen Militärgericht entkräftet, aber der Baron wurde des Landes verwiesen.

Auf dem Weg nach Süden führten Samano und Nariño einen ausgedehnten, aber letztlich ergebnislosen Briefwechsel, da beide von ihrer Sache überzeugt waren. Samano war inzwischen zum Brigadier und Gouverneur der Provinz Popayan, die er erobert hatte, ernannt worden. Von Antioquia aus war im November ein Feldzug für das nördliche Tal des Rio Cauca gestartet, der in Cartago mit einer Truppe von Nariño zusammentraf, die José Ignacio Rodriguez geführt wurde, der den Südwestteil der Provinz Popayan im vergangenen Jahr gegen Tacon erobert hatte. Ab Anfang Dezember marschierten die 600 Soldaten gemeinsam hinter den sich nach Popayan zurückziehenden Spaniern her.

Die anrückenden Patrioten von Nariño versetzten Samano in Panik und er verließ Popayan. Außerdem entsandte er eine Abteilung, die Cali zurückerobern sollte. Aufgehalten von örtlichen Patrioten, erreichte der größere Teil der Royalisten Cali verspätet. Das Heer Nariños befand sich zu diesem Zeitpunkt noch auf dem Weg über die Zentralkordillere und konnte daher nicht eingreifen. Am 30. Dezember trafen lediglich zwei Vorausabteilungen, die am Oberlauf des Rio Palace, nördlich von Popayan aufeinandertrafen. Juan Samano schaffte es nicht, die Patrioten mit einem Feuergefecht an der Brücke zurückzudrängen und zog sich zurück. Die Patrioten entsandten eine Vorhut unter José Maria Cabal, der den Flüchtigen nachsetzte. Diese Niederlage bewog Samano, seine nach Cali gesandte Abteilung schnellstmöglich zurückzubeordern und sie bei Calibio in einem Feldlager zu erwarten. Hier fiel bald darauf eine Vorentscheidung im Kampf um die Provinz.



Fortsetzung: Kap. 7.c. Venezuela: Die Rückkehr der Republik



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