Unabhängigkeit
Kapitel 4.b. Neugranada: lokale und regionale Erhebungen
Die Besetzung Spaniens durch die Franzosen 1808 führte in Neugranada lediglich zu offiziellen Schwüren auf Ferdinand VII., aber nicht zu Versuchen, die Kolonialregierung zu stürzen. Die Konspirationen von 1809 erstickte der Vizekönig Antonio José Amar y Borbon im Keim. Dabei wurde auch Antonio Nariño inhaftiert und abgeurteilt. Die meisten Versuche, wie eine Denkschrift des Anwalts Camilo Torres y Tenorio gegen die zweitklassige Behandlung der Südamerikaner, heizten zwar die Stimmung an, aber nur wenige, wie Joaquin Ricaurte y Torrijos, propagierten den bewaffneten Kampf. Hinzu kamen die Maßnahmen des Vizekönigs, die einerseits die Kreolen aus Führungspositionen herauszuhalten und andererseits die öffentliche Ruhe gewährleisten sollten. Dazu zählte auch, Truppen aus anderen Teilen des Vizekönigreichs in die Hauptstadt zu beordern. Daher verblieben den Patrioten dort nur wenige Möglichkeiten und Gelegenheiten, aktiv am Sturz der Kolonialverwaltung zu arbeiten.
Lediglich in der an die venezolanischen Llanos grenzenden Provinz Casanare, kam es im Februar 1810 zu einem ernsthaften Versuch, die spanischen Autoritäten zu stürzen. Die Aufständischen konnten ihr Waffenarsenal vergrößern und versuchten den Gouverneur festzusetzen. Wegen mangelnder Erkundung, trafen sie diesen nicht an, und wurden Tage später von einer Übermacht der Kolonialtruppen überrascht und aufgerieben. Die Rädelsführer wurden hingerichtet und ihre Köpfe später in Bogota ausgestellt. Amar hatte jedoch die Bevölkerung unterschätzt, sodaß ihm nach wenigen Tagen keine Wahl blieb, als die Köpfe entfernen zu lassen, wenn er keinen breitangelegten Aufstand riskieren wollte.
Anfang Mai trafen die Regionalkommissare des Regentschaftsrats in Cartagena de Indias, dem wichtigsten Hafen des Landes, ein. Sie brachten nicht nur die Kunde von den Ereignissen in Caracas am 19. April in die Stadt, sie führten auch ein Schreiben mit, das die Amtszeit von Amar beendete. Dieser Brief erreichte die Hauptstadt nicht auf dem offiziellen Weg, sodaß der Vizekönig davon erst viel später Kenntnis erhielt. Der für Neugranada zuständige Regionalkommissar Antonio Villavicencio begann sofort für die Errichtung einer Junta in Cartagena zu werben und schrieb Briefe an die jeweils zuständigen Behörden, in denen er Mißstände, von denen ihm die Patrioten berichtet hatten, beklagte. Am 22. Mai wurde in Cartagena die erste Junta im Vizekönigreich eingerichtet, der noch der Provinzgouverneur vorstand. Gründungsprotokoll.
Wenige Tage später begannen jedoch die berechtigten Vorwürfe gegen den Gouverneur, der strikt königstreu war, die am 14. Juni zu seiner gewaltsamen Absetzung führten. Da sich die Patrioten jedoch nicht einig waren, wie man mit dem Regentschaftsrat, der die Absetzung des Gouverneurs kritisierte, umgehen sollte, aber auch deswegen, weil gerade in Cartagena die meisten Kaufleute von der Anbindung an Spanien wirtschaftlich profitierten, blieb die Regierung instabil und ihre Handlungen waren teilweise widersprüchlich. Die beiden widerstreitenden Pole waren die Aristokratenpartei und die der Demokraten. Zu ersterer gehörte Manuel Castillo y Rada in führender Position, und bei den letzteren gaben die Brüder Guitierrez de Piñeres den Ton an. Die anfangs noch guten Beziehungen zu den Patrioten Bogotas verschlechterten sich daher zusehends, und auch innerhalb der Provinz, besonders mit dem wichtigen Hafen am Rio Magdalena, Mompos, kam es zum Streit, der am Jahresende zur Kriegserklärung führte.
In Santa Marta, wo sich zufällig am selben Tag, wie in Cartagena eine Junta konstituierte, verhielten sich die Patrioten nicht konsequent genug gegenüber den Spaniern, deren Widerstand in den Provinzgremien nie erlahmte. Nach einigen Unmutsbekundungen lösten die Royalisten die Junta am 22. Dezember wieder auf und die von ihnen aufgestellten Milizen verhinderten eine Neugründung. Zusammen mit der Provinz Riohacha, wo nur formal Mitte September eine Junta gegründet worden war, die sich an Spanien, aber nicht an Bogota orientierte, entstand an der östlichen Karibikküste somit eine Region, die für die nächsten zehn Jahre unerschütterlich an Ferdinand und Spanien festhielt. Durch das Widerlager von Coro und Maracaibo an der venezolanischen Westküste, die ebenfalls strikt royalistisch blieben, entstand eine länderübergreifende Zone des Royalismus, dessen Mitglieder sich gegenseitig unterstützen und so in beiden Ländern die Landeseinheit nachhaltig verhinderten.
In der bei den Spaniern hinlänglich als rebellisch bekannten Provinz El Socorro, plante ein Richter den Bürgermeister wegen seiner patriotischen Gesinnung hinrichten zu lassen, was am 07. Juli bekannt wurde. Der daraus resultierenden Unruhe unter der Bevölkerung, versuchten beide Seiten mit Verhandlungen zu begegnen. Da dabei jedoch laut gestritten wurde, kam es zu einem Auflauf in der Nacht des 09., den die Spanier gewaltsam auflösten. Die zehn dabei getöteten Bürger brachten das Faß zum Überlaufen. Der Gouverneur und sein Militärchef Antonio Fominaya mußten sich in ein nahegelegenes Kapuzinerkloster flüchten, um ihr Leben zu retten. Am 10. wurde ein Revolutionsprotokoll unterzeichnet, das am folgenden Tag zur Errichtung einer sechsköpfigen Provinzjunta führte, die fortan die Regierungsgeschäfte führte. Die erste Verfassung im Vizekönigreich legte ein Kanoniker bereits am 15. August vor. Im Dezember löste sich die dortige Kirche auch von Rom. Diese Abspaltung fand jedoch keine Nachahmung.
In Santa Fe de Bogota und der umgebenden Provinz Cundinamarca waren die Spannungen zwischen Kreolen und Royalisten in der ersten Jahreshälfte weiter angewachsen, aber der Vizekönig hatte es verstanden, die Balance, und sich an der Macht zu halten. Im Observatorium, das der Gelehrte Francisco José Caldas betreute, trafen sich die Umstürzler, wie sie glaubten, unbemerkt von den spanischen Spionen. Carlos Montufar fand bei seinem kurzen Aufenthalt weder bei den Behörden noch bei den Patrioten in der zweiten Junihälfte wirklich Gehör, so daß er nach Quito weiterreiste. Die Lage verschärfte sich, als Anfang Juli bekannt wurde, daß die Verschwörer vom Observatorium doch ausgespäht worden waren und sie deswegen vor Gericht gestellt werden sollten. Vizekönig Amar wurde wohl nur wegen der Ereignisse in den anderen Kolonien daran gehindert, öffentlich zur alten Ordnung Stellung zu beziehen, da die Volksmeinung längst auf den Regierungswechsel eingestellt war.
In dieser Situation tauchte der Brief eines Kaufmanns vom 19. Juli auf, der zum Teil enteignet worden war, damit die Spanier im Mutterland Krieg führen konnten. Die Patrioten wußten, daß es längst an der Zeit war zu handeln, als sie sich an diesem Abend erneut trafen, zumal die Pläne gemacht waren. An diesem 20. Juli, der heute Nationalfeiertag in Kolumbien ist, kam es zu einem folgenschweren Streit zwischen einem Kreolen und einem Spanier aus eigentlich nichtigem Anlaß. Der Kreole hatte für eine Feier um eine kostbare Vase gebeten, die ihm der Spanier, mit Unverschämtheiten garniert, verweigerte. Ein zur damaligen Zeit nicht ungewöhnlicher Vorfall, der jedoch dadurch, daß der Kreole den Spanier ohrfeigte, zum einmaligen Präzedenzfall wurde. Die anderen Ereignisse des Tages, so wichtig die Juntabildung auch war, verblassen neben diesem Akt der Auflehnung, denn die Errichtung der Junta war letztlich nur eine Anordnung aus Spanien.
Wegen eines Auflaufs auf dem Hauptplatz, der außer Kontrolle zu geraten drohte, kam es gegen 18 Uhr zu einer außerordentlichen Stadtratssitzung, zu der auch der Vizekönig gerufen wurde. Amar, der wußte was folgen würde, zog es vor, sich unpäßlich zu melden, was die Kreolen im Stadtrat nicht davon abhielt, dem Volkswillen genüge zu tun und endlich die langersehnte Junta für Neugranada ins Leben zu rufen. Wie alle Juntas in allen Kolonien zu dieser Zeit, geschah dies im Namen des Königs Ferdinand VII. Der Vizekönig wurde zum Präsidenten ernannt und der kreolische Bürgermeister von Bogota zu seinem Stellvertreter. Bereits in den frühen Morgenstunden des folgenden Tages erschien eine weitere Delegation im Haus Amars, um ihn über sein neues Amt zu informieren. Ihm blieb keine Wahl, als auf die neue Regierungsform zu schwören und sein Amt anzutreten.
Im Umland der Hauptstadt und in den Provinzen, in denen dies noch nicht geschehen war, bildeten sich im Lauf der nächsten Tage und Wochen nun ebenfalls Juntas. Bereits am folgenden Tag errichtete der Stadtrat von San Victorino, das heute zu Bogota gehört, seine Junta, angeregt von einem der Unterzeichner des Gründungsprotokolls der Junta von Bogota, José Maria Carbonell. Lediglich hier kam es zwei Tage später zu einem echten Akt der Auflehnung, als das Gefängnis gestürmt und die Insassen befreit wurden.
Die neue Regierung war sich ihrer Akzeptanz jedoch keineswegs sicher, wie ein Dekret zur Einschränkung der Pressefreiheit und der Androhung von Gefängnisstrafen für öffentliche Regierungskritik zeigt. Hinzu kamen von Regierungsvertretern selbst in die Welt gesetzte Gerüchte von vermeintlichen Gefahren, die zur Geschlossenheit beitragen sollten. Am 26. Juli erkannte die Junta dem Regentschaftsrat die Autorität in Neugranada ab, was jedoch nicht die Treue zu Ferdinand VII. schmälerte. Der Ansatz der Obersten Junta war keineswegs ein föderalistischer, als sie die anderen Provinzen aufforderte ebenfalls Juntas zu gründen, und Delegierte für die Oberste Junta zu bestimmen. Die Landeseinheit sollte hergestellt werden, der Herrschaftsanspruch Bogotas dabei jedoch unangetastet bleiben.
In Tunja, der Hauptstadt des heutigen Departements Boyaca, das sich unmittelbar nördlich an die Cundinamarca anschließt, hatte sich am 26. Juli eine Junta gebildet, die ab Ende August ebenfalls mit der verwaltungstechnischen Abwanderung von Gemeinden Richtung Bogota zu kämpfen hatte. Chiquinquira, ging, als es ein halbes Jahr später, unzufrieden mit Bogota, eine eigene Provinz gründete, sogar noch einen Schritt weiter.
In Neiva, heute Hauptstadt des Departements Huila, entstand am 27. Juli eine Provinzjunta, die mit zwei Gemeinden im Süden der Provinz zu kämpfen hatte, die zwar politisch nicht weit auseinander lagen, aber dafür lokale Animositäten pflegten, die verhinderten, daß die Provinz einheitlich auftreten konnte. Sowohl Timana als auch Garzon reklamierten für sich das Recht, den jeweils anderen Ort mit ihrer Junta zu regieren. In der Provinzhauptstadt Neiva bemühte man sich mit nur mäßigem Erfolg um einen Ausgleich der Interessen. Dieser Streit setzte sich über die gesamte Dauer der Ersten Republik fort, eskalierte aber nie militärisch.
In Pamplona, wo die venezolanischen Anden abzweigen, war es bereits am 04. Juli zu Aufstand wegen des Verbots einer Kirchenprozession gekommen, bei der die spanischen Behörden ihrer Ämter enthoben worden waren, aber erst am 31. wurde, als die Nachricht der Juntabildung aus Bogota eintraf, eine Provinzjunta errichtet. Diese schickte den Anwalt Camilo Torres später zum Bundeskongress.
In ihrem Herrschaftsanspruch waren die Bogotanos unnachgiebig, denn sie forderten die Auflösung der Junta von San Victorino. Bei einem Streit deswegen zwischen Joaquin Ricaurte und dem Vizepräsidenten der örtlichen Junta am 13. August, zog Ricaurte den Säbel. Die Junta von Bogota dachte jedoch nicht daran, die Vorfälle zu untersuchen, sondern beschloß, den Vizepräsidenten zu verhaften. Die daraus entstehende Rebellion der Gemeinde nutzten die Bogotanos zur Absetzung von Amar. Nachdem man dem Vizekönig klargemacht hatte, daß er vom Regentschaftsrat abberufen worden war und sein Nachfolger bereitstand. (Die Patrioten hatten Cartagena angewiesen, ihm die Einreise zu verweigern, aber der Nachfolger zog es vor, in Mexiko zu regieren.) Der Aufstand von San Victorino gab den Patrioten die Gelegenheit, Amar mit der Begründung, daß er versagt habe, einzusperren. Wenige Tage später wurde er über Cartagena ausgewiesen. Die nun wirklich eigenständig regierenden Kreolen ließen am 16. den Widerstand von San Victorino mit der Kavallerie brechen.
Am 19. August begann die Junta in Bogota mit der Aufstellung von Milizen. Bis Dezember verfügte das Vizekönigreich über achtzehn Kompanien, die Antonio Baraya und sein Stellvertreter Ricaurte befehligten. Die in der zweiten Augusthälfte bekannt gewordenen tragischen Vorfälle in Quito (s. Kap. 4.c.), lösten sowohl Solidarität mit den dortigen Patrioten, als auch massive Drohgebärden aus, wobei letztere allerdings zu spät kamen, da es dort bereits kurz vorher zur Einigung gekommen war.
Die Verwaltung wurde reformiert, indem sich beispielsweise der Königliche zum Appellationsgerichtshof veränderte, die territoriale Verwaltung restrukturiert, Steuern modifiziert, und die Indianer von ihrem Tribut befreit wurden. Die Umsetzung der Maßnahmen nahmen allerdings Monate in Anspruch. Auch zeigten nicht alle Veränderungen die gewünschten Effekte.
In der damaligen Provinzhauptstadt Honda, nordwestlich von Bogota am Rio Magdalena anerkannte der Provinzrat von Mariquita die Oberste Junta bereits am 25. August an, und schloß sich ohne Umschweife direkt an die Hauptstadt an. Da jedoch auch Ibagué, die heutige Hauptstadt von Tolima, sich direkt Bogota unterstellte, obwohl der Ort bereits über Honda angebunden war, brach am 13. August auch hier ein Streit aus, der Signalwirkung haben sollte. Denn ab hier bezogen nicht nur Provinzen Stellung im Föderalismusstreit, sondern auch einzelne Gemeinden, die daraufhin mit ihren Provinzen in Streit gerieten. Anfangs waren die „Überläufer“ der Obersten Junta willkommen, aber im Laufe der Zeit begriff man, daß sich auf diese Art die Landeseinheit nicht herstellen ließ.
Die in der damaligen Provinzhauptstadt Santa Fe de Antioquia tagte am 10. August eine Versammlung der wichtigsten Städte der Provinz, die in Medellin am 30. eine Junta errichtete. Da auch hier der spanische Provinzgouverneur den Vorsitz hatte, kam es zu Spannungen innerhalb der Provinz, mit Bogota, und den anderen Provinzen. Auslöser für den Rücktritt des Spaniers Anfang des folgenden Jahres war wohl eine militärische Aktion gegen die Patrioten in Zaragoza, die heftige Kritik aus Bogota nach sich zog.
In Quibdo räumte der Gouverneur freiwillig seinen Posten, und am 31. August wurde eine Junta für die Provinz errichtet, die sich in ihrem Aufbau an die Verhältnisse in Bogota anlehnte. In Novita erfolgte die Juntabildung am 27. September. Noch während der Ersten Republik schlossen sich die beiden Provinzen zum heutigen Choco zusammen.
In Casanare erinnerte man sich der Handlungen des Gouverneurs während des Aufstands am Jahresanfang und dieser setzte sich nach Venezuela ab, als am 13. September dort eine Regierungsjunta ins Leben gerufen wurde.
In der Provinz Popayan, die das Cauatal, den gesamten Südwesten des Landes und riesige Gebiete im Urwald östlich des Landes umfaßte, regierte der Gouverneur Miguel Tacon y Rossique strikt spanientreu. Er war gegen die Errichtung einer Junta in seiner Provinz und auch nur unter dem Druck des Regionalkommissars Carlos Montufar, der auf dem Weg nach Quito war, kam es zu Stadtratssitzungen zwischen dem 11. und 14. August, die in die Bildung einer Junta (Gründungsprotokoll) mündeten, die Tacon jedoch bereits am 31. Oktober mit militärischer Hilfe der ganz im Süden der Provinz gelegenen Stadt Pasto wieder auflöste. In dieser von der Kirche geprägten Stadt, verteufelte der Bischof von Anfang an die Bemühungen um Unabhängigkeit. Die Region um Pasto blieb der unbeugsamste Hort der Königstreuen, bis über den Befreiungskrieg hinaus. Im Tal des Cauca jedoch hatten die Patrioten in Cali bereits Ende Juni mit ihren Bestrebungen um Autonomie begonnen. Wegen des Gouverneurs Tacon, der bereits im vergangenen Jahr mit Härte gegen die Patrioten in Quito vorgegangen war, wurde am 03. Juli keine Junta sondern lediglich ein Aufstandskomitee ins Leben gerufen, das dem Gouverneur ein Dorn im Auge war. Daher propagierte das Komitee einen Zusammenschluß der Städte des Caucatals, der am 13. September erfolgte. Diese Versammlung beantragte am 20. Oktober, sich von der Provinz Popayan zu lösen, um eine eigene Provinz zu gründen. Durch die Auflösung der Junta in Popayan fühlten sich die Patrioten in Cali berechtigt, selbst eine Junta zu gründen, was bereits am 01. November, dem Tag nach der Auflösung der Junta von Popayan, geschah. Gut eine Woche später entsandte die Junta von Bogota auf Anfrage ihrer Gesinnungsgenossen, einen Feldzug unter Antonio Baraya, da Tacon mit militärischen Maßnahmen gedroht hatte, falls die Junta nicht umgehend aufgelöst würde. Während Tacon seine Truppen mit Königstreuen aus Pasto aufstockte, erreichte Baraya mit seinen dreihundert Soldaten Cali. Mit Rekruten aus dem Caucatal setzte er im darauffolgenden Jahr den Marsch auf Popayan fort.
Während sich Anfang und Ende Oktober auch die Oberste Junta neu organisierte, kam es zwischen Bogota und einzelnen Provinzen zu ernsten Meinungsverschiedenheiten. An der Frage nach der Struktur des Staates, föderal oder zentral, entzündete sich ein Streit, der dadurch verschärft wurde, daß Bogotá als Zentrum der Macht seinen alleinigen Vertretungsanspruch zur Doktrin erhob, während einige andere Provinzen einen Bund gleichberechtigter Partner favorisierten, der außerhalb der Hauptstadt seinen Sitz haben sollte.
Wie überall hatte die Regierungsübernahme auch in El Socorro Widerstand erzeugt. In der bei Bucaramanga gelegenen Gemeinde Giron ernannte der Stadtrat den Priester und Gelehrten Eloy Valenzuela zum Regierungschef. Da ein einem nahegelegenen Dorf, das zur Gemeinde gehörte, ein Richter von Patrioten entführt und eingesperrt worden war, drohte der Hardliner Valenzuela Ende Oktober mit militärischem Durchgreifen, falls der Richter nicht freigelassen würde. Noch am selben Tag trafen, wohl eher ungeplant, bewaffnete Anhänger der beiden Seiten aufeinander, und es gab die ersten Toten nach dem Erreichen der Selbstbestimmung in Neugranada. Im Dezember griffen die Patrioten mit Unterstützung aus Pamplona Giron erfolglos an. Damit begann der Krieg in Neugranada.
Am 22. Dezember nahm der Kongreß der Provinzen in Bogota seine Arbeit auf. Antonio Nariño, den Villavicencio im Juni aus dem Kerker in Cartagena geholt hatte, war nachdem er sich von der Haft erholt hatte, Anfang Dezember nach Bogota zurückgekehrt. Sein Onkel Manuel Bernardo Alvarez, der dem Kongreß vorstand, stand seiner Berufung zum Sekretär sicher nicht im Wege. Die Aufgabe der Versammlung war es die Oberste Junta des Landes zu ersetzen, wogegen sich diese natürlich sträubte. Der daraus erwachsende Streit, der erst vier Jahre später sein endgültiges und unfreiwilliges Ende fand, eskalierte kurz darauf zum Bürgerkrieg unter den Patrioten.
Fortsetzung: Kap. 4.c. Ecuador: Die Tragödie von Quito