Stefan K. Beck, Privatgelehrter und Projektemacher

Unabhängigkeit

Kapitel 18.a. Neugranada: unaufhörliche Rebellion in Pasto


Trotz der Rückeroberung durch die Republik nach den Aufständen der Region um Pasto, im Süden Neugranadas, blieben die Royalisten unbelehrbar. Dazu trug sicher auch bei, daß der militärische Anführer Agustin Agualongo ein weiteres Mal den von José Mires aus Ecuador herangeführten Truppen am Ende des letzten Jahres entkommen war. Wohl deswegen, weil das Heer von Mires inzwischen wieder in Quito weilte, konnte Agualongo Pasto im Februar erneut besetzen.

Mires kehrte zurück und trieb die Rebellen gegen die Republik in einer Reihe von Gefechten in Richtung auf die Küste zu. Der Gouverneur der Hafenstadt Buenaventura im heutigen Departement Valle de Cauca, der spätere Präsident Tomas Cipriano Mosquera Arboleda, hatte sich mit seinen Soldaten zur Unterstützung von Mires aufgemacht, um die monarchistischen Guerillas nachhaltig zu befrieden. Gejagt von Mires, traf Mosquera den Indianer an der Felskuppe von Barbacoas, auf zwei Dritteln des Weges zwischen Pasto und Tumaco, am 01. Juni. Die Guerillas waren offenbar überlegen, aber obwohl sie das Dorf, das Mosquera verteidigte, anzündeten, erlitten sie entscheidende Verluste, ohne Barbacoas in ihre Gewalt zu bekommen.

Beide Anführer wurden verletzt, aber Mosquera konnte José Maria Obando mit der Verfolgung beauftragen. Agaulongo floh in Richtung Osten in die Anden, wo er 24. Juni etwa 50 Kilometer nordwestlich von Pasto erneut von den Truppen aus Buenaventura gestellt wurde und in Gefangenschaft geriet. Er erfuhr wohl noch, daß ihn Ferdinand VII. zum Brigadegeneral ernannt hatte, aber das änderte nichts an seiner Hinrichtung in Popayan Mitte Juli.

Auch ohne prominente Anführer setzten die Guerillas von Pasto und dem Tal des Rio Patia ihren Kampf noch jahrelang fort. Das hat seinen Grund sicher auch darin, daß sich die Republik fast derselben Mittel bediente, wie vorher die Spanier. So verwundert es kaum, daß die Tradition des Guerilla-Kampfes in Kolumbien bis heute überlebt hat, selbst, wenn die Motive heute andere sind, als damals.

Bolivars Stellvertreter Francisco de Paula Santander wurde derweil von seinen beiden wichtigsten Aufgaben zerrissen. Einerseits verlangte Bolivar immer neue Mittel für die nachvollziehbare Idee, daß nur ein insgesamt befreiter Kontinent die Spanier nachhaltig an der Rückkehr hindern konnte, und daher seine Feldzüge unabdingbar waren. Andererseits mußten die Kriegsschäden beseitigt, eine funktionierende Wirtschaft aufgebaut, und die Freiheitskämpfer in die Zivilgesellschaft integriert werden. Daher ließ er dem Präsidenten Großkolumbiens vom Kongreß das Mandat für den Perufeldzug entziehen. Bolivar stellte sich jedoch trotzdem nicht den Aufgaben in seiner Republik, sondern blieb bis 1827 in Peru und Oberperu.

Den Spannungen, die aus dem für den Krieg, aber nicht für den Frieden, angemessenen autokratischen Regierungsstil Bolivars resultierten, folgten politische Auseinandersetzungen, bei denen Santander die bis heute existierende liberale Partei als Gegengewicht zu Bolivars Konservativen gründete. Schließlich wurden die Meinungsverschiedenheiten auch militärisch ausgetragen und Bolivar entging im September 1828 nur knapp einem Anschlag auf sein Leben. So gesehen erlebte die "Patria Boba", das närrische Vaterland der Ersten Republik, eine Renaissance, von der gelegentlich behauptet wird, sie dauere bis heute an.



Fortsetzung: Kap. 18.b. Oberperu: innerspanische Kämpfe



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