Stefan K. Beck, Privatgelehrter und Projektemacher

Unabhängigkeit

Kapitel 17.b. Neugranada: Aufstände der Königstreuen


Die Eroberungsfeldzüge von Francisco Morales in Nordwestvenezuela gegen Ende des vergangenen Jahres (s. Kap. 16.d.) hatten auch Auswirkungen an der benachbarten östlichen Karibikküste Neugranadas. Francisco Labarcés hatte in der Umgebung von Valledupar 300 Königstreue zusammengeführt, die er ursprünglich nach Maracaibo führen wollte. Die republikanischen Truppen des in Riohacha stationierten Mariano Montilla verhinderten jedoch den Durchbruch von Labarcés, der sich daraufhin nach Westen wandte.

In Santa Marta war in den letzten Wochen des Jahres 1822 die Aufstandsbereitschaft der Monarchisten erheblich angewachsen, so daß Labarcés in der Sylvesternacht die Garnison von La Cienaga, etwa 20 Kilometer südlich von Santa Marta, die Garnison der Republik mit lokaler Unterstützung überrumpeln konnte. Nachdem der Ort unter der Kontrolle der Aufständischen stand, erweiterte Labarcés sein Heer und bewegte sich auf Santa Marta zu. Der Gouverneur Louis François de Rieux, ein französischer Arzt, der schon an der ersten Republik beteiligt gewesen war, alarmierte zwar sofort Montilla, aber dieser konnte nicht rechtzeitig eintreffen, um die Niederlage der Wachgarnison vor der Stadt am 02. Januar zu verhindern. Während de Rieux sich in einer der drei Festungen in der Stadt aufhielt, versuchte der Militärkommandant Francisco Carmona die Stadt mit 50 Reitern zu halten.

Angesichts der Übermacht der Königstreuen in der Stadt, die von Labarcés’ siegreichen Truppen unterstützt wurden, zog sich Carmona zu den Salzpfannen außerhalb von Santa Marta zurück. Auch ohne die Munition aus dem Artilleriedepot, dessen sich die Königstreuen bemächtigten, hätte er bei dem folgenden Gefecht den kürzeren gezogen. Mit dem Rest seiner Soldaten begab er sich ebenfalls in die Festung El Morro am Hafen. Die Milizen von Labarcés setzten nach, und noch in der gleichen Nacht kapitulierte de Rieux.

Die Royalisten vergingen sich im Anschluß an der Zivilbevölkerung, was erst mit dem Ende der Anarchie aufhörte, als ein angesehener spanischer Geschäftmann von allen als politischer Führer akzeptiert wurde. Die indigenen Hilfstruppen besetzten anschließend die Landenge von La Cienaga, um einer möglichen Truppenintervention von Westen zu begegnen, aber die von außerhalb angeforderte Unterstützung blieb aus.

Derweil beobachtete Montilla die Aktivitäten der Königstreuen von See aus, und entsandte Kavallerie nach La Cienaga, um die Indianer zu verdrängen. Dies gelang am 19. oder 20., woraufhin unter den Monarchisten in Santa Marta eine Panik ausbrach, die einige gefangengesetzte Republikaner zur Flucht nutzten. Da sie plündernd durch die Stadt zogen, und offenbar keine königstreuen Milizen verfügbar waren, entließen die Aufständischen Carmona aus der Haft, damit er die Plünderer aufhielt.

Am 21. erreichte Montilla selbst mit seinen Soldaten Santa Marta. Er besetzte die Hafenstadt ohne auf Widerstand zu treffen. Mit den am nächsten Tag von den Schiffen José Padillas angelandeten Soldaten, besiegte er noch am gleichen Tag die Milizen von Labarcés, nahe Mamatoco, damals Indianerdorf, heute Armenviertel im Osten von Santa Marta. Anschließend begann er nicht weniger blutdürstig als die Royalisten vorher, Gericht zu halten..

In Valledupar ereignete sich zwei Tage später ein weiterer Umsturzversuch der Königstreuen, der allerdings scheiterte. Diese Ereignisse bewogen Morales in Maracaibo im Februar den Gesinnungsgenossen eine Truppe zu schicken, die sie Unterstützen sollte, aber Montilla konnte die Monarchisten unweit der Grenze zu Venezuela im März zurückwerfen und damit die östliche karibische Küstenregion in Neugranada endgültig sichern.

Zum Ende des vergangenen Jahres hatte Antonio José Sucre Pasto nach einer Rebellion wieder unter die Kontrolle der Republik gestellt, und wurde durch Bartolomé Salom als Militärbefehlshaber für Südkolumbien ersetzt, damit er sich der Vorbereitung des anstehenden Peru-Feldzugs widmen konnte. Die Pastusos, von denen sich viele in der Umgebung als Guerillas versteckt hielten, waren nie bereit gewesen, ihre spanienfreundliche Haltung aufzugeben. Die Feldzüge von Morales und die Aufstände an der Nordküste, ließen in Verbindung mit den harten Sanktionen, mit der sie die Republik belegte, ihren Widerstandswillen erneut aufflammen.

Der Indianer Agustin Agualongo und Estanislao Merchancano, der die politische Agitation betrieb, führten die königstreuen Guerillas im Juni erneut zum Aufstand. Direkter Hintergrund war eine brutale Strafaktion des Gouverneurs von Pasto, der später der erste Präsident von Ecuador wurde, Juan José Flores. Mit Truppen, die in Ecuador aus kriegsgefangenen Pastuos zwangsrekrutiert worden waren, kämpfte sich Flores den Rio Guaitara entlang, bis ihn Agualongo zirka zehn Kilometer südlich von Pasto mit einer zwar numerisch überlegenen, aber viel schlechter bewaffneten Truppe in einem Hinterhalt am 12. Juni besiegte. Flores verlor fast sein ganzes Heer und floh nach Popayan.

Mit den Gefangenen und vor allem deren Waffen, wurde aus dem lokalen Aufstand eine Gefahr für den Süden Neugranadas und den Norden Ecuadors, den die Guerillas von Agualongo inzwischen kontrollierten. Simon Bolivar, der in Guayaquil den Peru-Feldzug vorbereitete, ließ in Ecuador Truppen anwerben und forderte seinen Stellvertreter Francisco de Paula Santander in Bogota auf, ebenfalls Truppen nach Südkolumbien zu entsenden. Aber wegen der Gefahr von Morales an der Nordküste, konnte er keine Soldaten entbehren. Bolivar übernahm in Quito Anfang Juli 1500 Soldaten und führte sie den Pastusos entgegen. Die Kenntnis, daß Agualongo 1400 Guerillas auf Quito zu führen gedachte, bewog Bolivar kurzzeitig zum Rückzug. Die Vorhut von Salom, die Agualongo im Gegensatz zu Bolivars Truppen hatte sehen können, kehrte zum Hauptkörper der republikanischen Truppen zurück, und Agualongo besetzte Ibarra am 12.Juli.

Bolivar war es gelungen, sich bis zum 17. Ibarra unbemerkt zu nähern, und griff in einer Ebene östlich der Stadt, die seiner Kavallerie zupaß kam, an. In Verbindung mit der Überraschung, besiegte Bolivar die Royalisten vollständig in seiner einzigen Schlacht auf ecuadorianischem Boden. Die meisten der Fliehenden wurden von seinen Reitern gestellt, aber Agualongo selbst entging den reichlich verärgerten Befreier. Mit nur noch zweihundert Guerilleros setzte der Indianer seinen Kampf fort. Bolivar verhängte harte Strafmaßnahmen gegen Pasto und stellte mit einer ständigen Wachgarnison in Quito sicher, daß er sich nun ausschließlich auf Peru konzentrieren konnte.

Die Königstreuen gaben jedoch nicht auf, und Agualongo hatte bereits im August wieder 1500 Mann zur Verfügung, mit denen er am 20. die Stadt, wo Salom 1000 Soldaten befehligte, angriff. Die Straßenkämpfe in den folgenden Tagen verhalfen Agualongo nicht zum Durchbruch, weswegen er eine Belagerung stellte. Ein erfolgreicher Ausfall von Saloms Truppen bewog die Republikaner Mitte September, sich aus der Stadt zurückzuziehen und die Grenze nach Ecuador zu sichern.

José Maria Cordoba näherte sich inzwischen Norden mir nur 260 Rekruten. Es gelang ihm zwar, die Guerillas, die den Angriff aus dem Süden erwarteten, am 11. Oktober etwa 20 Kilometer vor Pasto zu überraschen, aber da diese doppelt so stark war, wie Cordobas Truppe, mußten sich die Antioquier zurückziehen. Tagelang von den Guerillas verfolgt, verloren die Republikaner 60 Mann, aber letztlich führte Cordoba seine Soldaten zurück ins sichere Kernland.

José Mires war inzwischen den in Quito für diesen Fall bereitgehaltenen 2000 Soldaten auf Pasto marschiert. Er besiegte die Guerillas im Oktober und zog, offenbar nachdem er das Umland unter Kontrolle gebracht hatte, im Dezember erneut in der Royalistenhochburg ein. Pasto blieb jedoch weiter ein Problem, dem sich die Republik auch im folgenden Jahr stellen mußte.



Fortsetzung: Kap. 17.c. Peru: fruchtloses Hin und Her



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