Stefan K. Beck, Privatgelehrter und Projektemacher

Unabhängigkeit

Kapitel 16.b. Neugranada: Hürde Pasto


Nach den Erfolgen der Republik an der Nordküste im vergangenen Jahr, genügte eine Kampagne, um die Royalisten von Riohacha nach einem Aufstand zu befrieden. In der zweiten Jahreshälfte beschäftigte sich der Feldzug von José Sarda, der die östliche Küstenregion befriedet hatte, mit der Grenzregion um Maracaibo, das die Spanier zurückerobert hatten. Die Ereignisse finden sich im Kapitel 16.d.

Einerseits, weil Pasto immer noch erheblichen Widerstand leistete, und andererseits, weil Antonio José Sucre nach der verheerenden Niederlage in der zweiten Schlacht von Huachi um Hilfe gebeten hatte (s. Kap. 15.d.), rüstete Bolivar in Bogota einen Feldzug zur Unterstützung seines Generals im Gerichtsbezirk Quito aus. Hier begannen die Meinungsverschiedenheiten mit Bolivars Stellvertreter Francisco de Paula Santander, der nach 12 Jahren Krieg dringend Männer und Mittel für den Wiederaufbau benötigte, anstatt diese in neuen Feldzügen zu binden.

Bolivar hatte Bogota mit weniger als 2000 Soldaten Mitte Dezember des vergangenen Jahres verlassen und sich nach Cali begeben. Ursprünglich war vorgesehen, die Entsatztruppen für Ecuador per Schiff zu transportieren, aber die Flottille, die den neuen Gerichtspräsidenten von Quito aus Panama brachte, und die möglicherweise Unterstützung in Form der Schiffe vom Aufstandsversuch in Guayaquil im vergangenen Juni erhielt, bewog Bolivar, sich auf dem Landweg nach Quito zu begeben. Dazu verstärkte er sein Heer in Popayan mit der Division von Pedro Leon Torres, der die Südverteidigung der Republik führte, auf knapp 2900 Mann. Am 23. März waren die Vorbereitungen abgeschlossen, und das Heer konnte aufbrechen.

Wie alle Vorgängerfeldzüge, hatte auch Bolivar mit den Guerilleros im Tal des Rio Patia zu kämpfen. Hinzu kamen die Regenzeit, Krankheiten und unzureichende Versorgung. Daher hatte er bei seiner Ankunft am Rio Juanambu, etwa 35 Kilometer vor Pasto, bereits ein Viertel seiner Truppe eingebüßt. Bei El Peñol ließ er das dritte Basislager einrichten, nachdem er bereits bei den beiden vorangegangen Tagesmärschen Stützpunkte errichtet hatte. Er folgte wohl dem Rio Pasto und bog kurz vor Pasto nach Westen ab, um den Vulkan Galeras, an dessen Südostflanke die Stadt liegt, zu umgehen, da er sein Heer für nicht ausreichend stark hielt, um Pasto anzugreifen. Am Nachmittag des 03. April ließ er westlich von Genoy seine Stellung befestigen.

Basilio Garcia, der die Königstreuen von Pasto anführte, griff am folgenden Tag mit seinen Milizen an, wurde aber zurückgeschlagen. Die Patrioten setzten ihren Weg fort, bogen nach Süden ab, und ließen sich von gelegentlichen Scharmützeln mit den Guerillas nicht aus dem Konzept bringen. Am 06. April erreichten die Republikaner Consaca, umweit östlich des Rio Guaitara. Hier und auf einer nahegelegenen Hazienda namens Bombona verbrachten sie die Nacht. Am folgenden Morgen folgte Bolivar dem Guaitara in Richtung Südosten, um die Umgehung des Vulkans zu vollenden. Dazu mußte gegen Mittag ein Bach, der vom Galeras kommend in den Guaitara mündet, überquert werden.

Die Vorhut Bolivars sah, wie die Royalisten, bei denen sich auch das Bataillon Aragon, befand, das Melchior Aymerich in Quito ihnen zur Verfügung gestellt hatte, die Anhöhen hinter dem Bach besetzen, um den Republikanern den Weg zu verlegen. Bolivar, der sich nicht aufhalten lassen wollte, schickte unverzüglich ein bewährtes Bataillon unter Manuel Valdes vor, um die Monarchisten daran zu hindern, ihre Stellung einzunehmen. Es war wohl ein Kommunikationsfehler, der den Angriff verzögerte, und die Pastusos konnten sich der günstigen Position auf den Hügeln ungehindert bemächtigen.

Bolivar wußte, daß er keine Zeit zu verlieren hatte, weil Sucre auf ihn wartete, und so ließ er seine rund 2000 Soldaten die numerisch leicht überlegenen Monarchisten bergauf angreifen. Die Attacken im Gewehr- und Kanonenfeuer der Pastusos gestaltete die Attacke erwartungsgemäß verlustreich, aber als nach drei Stunden der Durchbruch zu gelingen schien, brach die Nacht herein, und die Republikaner zogen sich, mit mindestens 500 Mann Verlusten, darunter auch Valdes zurück.

Bolivar sprach zwar hinterher von einem Sieg, aber es war bestenfalls ein Unentschieden, das die Schlacht von Bombona am 07. April gezeitigt hatte. Daher blieb Bolivar in der Nähe, um erneut die Entscheidung zu suchen, aber erst auf dem Rückweg, ab dem 16., griffen die Pastusos wieder an. Die bis zum 20. täglich erfolgenden Angriffe konnten Bolivars Soldaten zwar zurückschlagen, aber sie befanden sich auf dem Rückzug, um Verstärkungen zu erwarten. An diesem 20. waren die Republikaner wieder im Basislager El Peñol, und Tags darauf campierten die Pastusos in Sichtweite.

Die Republikaner befestigten ihr Lager, machten Ausfälle, die die Pastusos sich schließlich auf den Ausbau ihrer Stadtbefestigungen konzentrieren ließen. Dafür setzten die Guerillas aus dem Tal des Rio Patia die Belästigungen des Heeres fort, das laut Plan, längst Sucre in Ecuador unter die Arme greifen sollte. So gesehen war der Feldzug eine Niederlage, da Bolivar nicht an dem Ort vorbeikommen war, der bereits zwei Präsidenten (Joaquin Caicedo und Antonio Nariño) verschlungen hatte. Bolivar schaffte es immerhin in Freiheit zu bleiben, und wichtiger noch, zu verhindern, daß ein Kontingent Pastusos, wie 1820, der Unabhängigkeit Ecuadors entgegenstand.

Bolivar gab schließlich auch El Peñol auf und zog sich in das tiefergelegene Lager bei El Trapiche (heute Bolivar), vierzig Kilometer weiter nördlich zurück, wo er auf Nachschub wartete.

Am 28. Mai kapitulierten die Pastusos vor dem völlig überraschten Bolivar in Berruecos, der erst bei dieser Gelegenheit von Sucres Sieg bei Quito am 24. (s. das folgende Ecuador-Kapitel) erfuhr. Am 08. Juni zogen die republikanischen Truppen in Pasto ein. Antonio Obando wurde der Provinzgouverneur, der in den folgenden Monaten die Guerillas von Basilio Garcia jagte, der Verstärkungen von Sebastian de la Calzada erhalten hatte. Dieser hatte die Kapitulation von Quito ignoriert und einige Truppenteile, die der Schlacht von Pichincha entgangen waren, ins Tiefland westlich von Pasto geführt. Obando hatte mit seinem Feldzug nur scheinbar Erfolg, denn der Widerstand der Guerilla von Pasto war auf Jahre hinaus ungebrochen.

Bereits im Oktober, nachdem das Gros der republikanischen Truppen Pasto verlassen hatte, ereignete sich der erste einer langen Reihe von Aufständen. Der Neffe des Bezwingers der Zweiten Republik in Venezuela, José Tomas Boves, Benito, war ebenfalls nicht bereit, die Kapitulation von Quito anzuerkennen und brachte doppelt so viele Kämpfer zusammen, wie Obando, den er am 28. am Rio Guaitara besiegte. Obando blieb nur der Rückzug nach Ecuador.

Sucre machte sich selbst auf den Weg, um die Pastusos zur Räson zu bringen. 20 Kilometer südwestlich von Pasto, an der Cuchilla de Taindala, kam auch Sucre am 24. November nicht vorbei. Mit Verstärkungen aus Quito gelang ihm an gleicher Stelle vier Wochen später der Durchbruch, dem am folgenden Tag die Auflösung der Guerilla von Pasto knapp 10 Kilometer weiter östlich folgte. Am 24. Dezember besetzte er Pasto, und für diesmal waren die Bewohner befriedet. Aber eine nachhaltige Anerkennung der Republik in der Region hatte die immer noch nachwirkende Propaganda des dortigen Bischofs zu Beginn der Ersten Republik Kolumbiens nahezu unmöglich gemacht.



Fortsetzung: Kap. 16.c. Ecuador: der Pichincha-Feldzug



zum Inhaltsverzeichnis