Stefan K. Beck, Privatgelehrter und Projektemacher

Unabhängigkeit

Kapitel 13.c. Peru: Ein schottischer Admiral für Chile vor Perus Küsten

Nach der Rückeroberung Chiles, das 1817 einen peruanischen Einfall hatte hinnehmen müssen, durch den Chilenen Bernardo O’Higgins und den Argentinier José de San Martin, planten die beiden Anführer nun die von San Martin bereits 1814 angedachte Befreiung Perus mit Landungsoperationen von See her. Um diese vorzubreiten, hatten die Chilenen einen schottischen Kapitän mit Kriegserfahrung aus der englischen Marine angeworben. Tomas Alexander Lord Cochrane hatte nach seiner Ankunft Ende 1817 damit begonnen, eine Flotte nach europäischem Vorbild aufzustellen, die die spanische Vormachtsstellung im Pazifik brechen sollte.

Im Januar 1819 verließen zwei Fregatten, ein Schoner, zwei Korvetten und eine Brigg, sowie eine Schaluppe Valparaiso, um den Spanier die Seeherrschaft streitig zu machen. Im Februar präsentierte er seine Schiffe vor dem Hafen von Lima, Callao, den Spaniern zum Gefecht. Obwohl diese numerisch überlegen waren, blieben diese im Hafen, da dort ihre Küstenbatterien mit über 300 Artilleriestücken Schutz boten. Er gedachte, den anstehenden Karneval für einen Überraschungsangriff zu nutzen, aber der dichte Küstennebel, garúa genannt, zwang ihn zu warten. Nach einer Woche vergeblichen Abwartens, fuhr er mit zwei Schiffen in den Hafen ein. Da er von der angekündigten Ankunft zweier US-amerikanischer Schiffe erfahren hatte, ließ er deren Flaggen aufziehen. Vizekönig Joaquin de la Pezuela, der gerade auf Inspektionstour im Hafen unterwegs war, konnte von seiner Brigg aus sehen, wie Lord Cochrane das Kanonenboot, das zur Erledigung der Formalitäten längsseits gegangen war, aufbrachte. Im Schutz des wieder dichter werdenden Nebels, befahl der Schotte den Angriff auf die im Hafen liegenden Schiffe. Nach zwei Stunden Artilleriebeschuß wurde der Kapitän des Begleitschiffs verletzt und drehte ab. Allein konnte das Flaggschiff nicht gegen die Küstenbatterien standhalten und so hzog sich auch Lord Cochrane zurück. Der sich lichtende Nebel offenbarte den Spaniern, daß sie auch ihre eigenen Schiffe beschossen hatten.

Da auch seine Attacke am folgenden Tag, dem 01. März, keinen Erfolg zeitigte, weil seine Ziele sich in den Schutz der Küstenverteidigung retteten, wandte er sich am nächsten Tag der Insel San Lorenzo zu, die die Hafeneinfahrt sicherte. Er setzte den aus Kent in England stammenden William Miller mit einem Stoßtrupp auf der Insel ab, der sie unter seine Kontrolle bringen konnte. Damit erreichte er eine vier Monate andauernde Blockade von Callao. Er opferte später noch einen der mitgebrachten Brander, aber da er keine entscheidenden Erfolge erzielen konnte, und seine Vorräte sich dem Ende zuneigten, ordnete er Ende März eine Versorgungsfahrt an.

Er ließ eine Korvette zurück und landete bei Huacho, 120 Kilometer nördlich von Lima. Mit der Unterstützung von örtlichen Indianern zog er ins nahegelegene Huaura, wo die fliehenden Spanier ihre Ausrüstung zurückließen, derer sich die Chilenen bemächtigten. De la Pezuela schickte 700 Soldaten, die die Orte zurückeroberten, und mit den lokalen Patrioten, die Lord Cochrane unterstützt hatten, kurzen Prozeß machten. Cochranes Stellvertreter, konnte den peruanischen Patrioten nicht mehr helfen, obwohl er deswegen zurückgeblieben war.

Lord Cochrane hatte sich derweil etwa 60 Kilometer weiter nach Norden begeben, um einen Geldtransport der Spanier zu überfallen. Der Erfolg der Operation am 05. April führte in Supe, etwa 20 Kilometer südlich zum Aufstand, bei dem der Ort seine Unabhängigkeit erklärte. Die Spanier entsandten wieder Truppen, um die koloniale Ordnung wieder herzustellen. Unter den sich auf die chilenischen Schiffe rettenden Rädelführer befand sich auch Francisco Vidal. Die Chilenen setzten ihre Fahrt nach Norden fort, und in Huanchaco, bei Trujillo, kaperte der Admiral ein französisches Schiff, wobei er reiche Beute machte. Fast an der Grenze zu Ecuador, landeten die Chilenen erneut am 13. und plünderten das von den Spaniern aufgegebene Paita. Da dies nicht im Sinne des Auftrags war, den er hatte, bezahlte der Lord die angerichteten Schäden und ließ die Verantwortlichen bestrafen.

Anfang Mai erkundete er selbst nochmals vor Callao, da die spanischen Kriegsschiffe seine zurückgelassene Korvette verjagt hatten. Anschließend führ er erneut nach Supe, wo er sich mit einer Proklamation an die Bevölkerung wandte, in der er die Unterstützung der chilenischen Regierung bei ihrem Befreiungskampf zusagte. Seine Landungstruppen gerieten allerdings am folgenden Tag, dem 06. Mai, in einen spanischen Hinterhalt. William Miller konnte jedoch mit einem entschlossenen Bajonettangriff das Blatt wenden und erbeutete so die Ausrüstung der Spanier. Eine Woche später kehrten die Spanier jedoch numerisch überlegen zurück und vertrieben die Chilenen.

Lord Cochrane wandte sich danach Richtung Süden, führte weitere Anlandungen zur Beschaffung von Vorräten und Munition durch und erreichte Mitte Mai seinen Ausgangspunkt Valparaiso. Hier fand seine erste Feindfahrt jedoch nicht den erwarteten Beifall. Es dauerte fast drei Monate, bis er erneut den Auftrag erhielt, sich der Eroberung Callaos zu widmen. Mit seinen geringen Kräften konnte er dies jedoch nicht erreichen, also gab er auf eigene Rechnung den Bau von Raketen bei einem englischen Ingenieur in Auftrag. Die Massenproduktion, für die die Regierung zuständig war, erfolgte jedoch derart nachlässig, daß die Raketen später weitgehend wirkungslos blieben.

Auch die Bereitstellung von 1000 Soldaten, die die Regierung angekündigt hatte, erwies sich als leeres Versprechen. Aber immerhin konnte er seiner Flotte eine neue Korvette einverleiben. Mit 7 Schiffen und zwei Brandern brach der Schotte Mitte September zu seiner zweiten Fahrt gegen die Spanier auf. Am Monatsende forderte er vor Callao den Vizekönig zur Seeschlacht außerhalb der Küstenbatterien ein, aber wieder lehnte de la Pezuela trotz numerischer Überlegenheit ab. Der Erkundung des Hafens durch zwei kleinere Schiffe am 01. Oktober, folgte am 02. der Großangriff auf Callao. Die von selbstgebastelten Flößen abgefeuerten Raketen waren jedoch eher für die Chilenen gefährlich, als daß sie bei den Spaniern nennenswerte Schäden anrichteten.

Die sich über Tage hinziehenden Angriffe erwiesen sich zunehmend als fruchtlos, und als der Schotte die Nachricht von einer Fregatte auf dem Weg nach Guayaquil hörte, fand er die Begründung, die Angriffe einzustellen und die Fregatte zu verfolgen. Die Fregatte erwies sich jedoch als zu schnell, und so hatten die Chilenen wieder keinen Erfolg. Daher kam die Nachricht von zwei alten Linienschiffen, wie gerufen, die sich vor der Südküste Perus aufhalten sollten. Da sie aber nicht auffindbar waren, unternahm Lord Cochrane eine Landung bei Pisco am 06. November. Die Spanier hatten aber von der Anwesenheit der chilenischen Schiffe erfahren und erwarteten die Patrioten. Der Chef der Marineinfanterie fiel in der Schlacht und Miller wurde schwer verwundet. Trotzdem konnten die Spanier besiegt werden, und die Chilenen Versorgungsgüter aufnehmen.

Die Rückkehr nach Callao am 08. erfüllte zwar die Hoffnung des Lords, auf die Fregatte zu treffen, die er vorher vergeblich gejagt hatte, aber in der Nacht entkam der Spanier erneut, nachdem er wichtige Depeschen an den Vizekönig weitergeleitet hatte. Er verfolgte die Fregatte, aber da unter seinen Besatzungen eine Epidemie ausbrach, mußte er die Kranken auf insgesamt drei Schiffen nach Chile zurückschicken.

Ende November erreichte er allein das Mündungsgebiet des Rio Guayas im heutigen Ecuador. Er setzte einen erfolgreichen Landungstrupp auf der Insel Puna aus, und konnte außerdem zwei Handelsschiffe kapern. Die Fregatte, die er eigentlich suchte, war so weit geleichtert worden, daß sie in die eigentlich für große Schiffe unpassierbare Guayas-Mündung einfahren und sich verstecken konnte.

Als Lord Cochrane zu seinen Schiffen zurückkehrte, meuterten zwei seiner Kapitäne und es dauerte zwei Wochen, bis sich der Admiral mit den Kapitänen der Fregatte und der Korvette einigen konnte, die die Operation abbrechen wollten. Der Schiffsführer der Fregatte, George Martin Guise wurde nach dem Weggang des Lords im Mai 1822 dessen Nachfolger. Mitte Dezember eskortierte die Fregatte die beiden Prisen nach Valparaiso und die beiden kleineren Schiffe sollten die peruanische Küste erkunden.

Nur mit seinem Flaggschiff unternahm Lord Cochrane einen Vorstoß nach Südchile, da er befürchten mußte, daß ihm wieder Versagen vorgeworfen werden würde, da er auch diesmal Callao nicht hatte einnehmen können. An der südchilenischen Schärenküste gab es immer noch den für die Spanier äußert wichtigen, und ebenfalls stark befestigten Hafen Valdivia. Mit seiner Einnahme, glaubte er den durchwachsenen Eindruck seiner zweiten Feindfahrt korrigieren zu können. Mitte Januar des folgenden Jahres erreichte er sein Operationsgebiet.

Die Chilenen hatten noch einen weiteren Briten für ihre Marine in Dienst gestellt. John Illingworth Hunt erhielt von der Regierung einen Kaperbrief, mit dem er die Spanier im Pazifik jagen sollte. Nach einem ersten Kapererfolg im März, traf er auf eine spanische Fregatte vor der Küste Ecuadors. Das Seegefecht endete unentschieden, aber Illingworth war gezwungen, sein Schiff auf den Galapagosinseln reparieren zu lassen. Während dieser Zeit bracht er eine weitere Prise auf.

Im September konnte er die vor der Küste Panamas gelegene Insel Taboga einnehmen, und Beute machen. Anschließend unterstützte er seeseitig die Rückeroberung der Westküste von Neugranada in den heutigen Departements Cauca und Nariño. Ein Abstecher vor die Festungen von Panama-Stadt war nicht von Erfolg gekrönt, aber sein Vorstoß auf dem Rio Turo brachte in Real de Santa Maria, in Darien, den in Portobelo bei MacGregors Vertreibung gefangenen britischen Söldnern die Freiheit mittels eines Austauschs der Gefangenen, die er auf Taboga gemacht hatte. Zum Jahresende eroberte er die Insel La Gorgona vor der südkolumbianischen Küste und erbeutete zwei Schiffe. Im folgenden Jahr unterstellte er sich den wiedererstarkenden Patrioten von Guayaquil.



Fortsetzung: Kap. 14: 1820: die Auswirkungen des Sieges in Neugranada



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