Tagebuch
74. Urlaub in Cartagena
Geld verdienen
José holte mich nach den Frühstück ab und lieferte mich bei Oscars Helfern ab, damit ich ihm beim Steuern hinterziehen helfen konnte. Diese setzten die Gruppe, die diesmal aus vier Männern bestand, in ein Taxi nach Bocagrande. Inmitten der Hochhäuser dieses neuen Stadtviertels hielt das Taxi bei einer Bank. Einer der jungen Männer war schon einmal bei der Geldwechselaktion gewesen und wußte, an welchem Schalter wir uns anstellen mußten. Danach begann der lästige Teil der Arbeit. Warten in der Schlange. Es dauerte gut eine Stunde, bis wir einer nach dem anderen den Paß vorlegen und unterschreiben mußten. Dieser Teil, das worauf es bei der ganzen Geschichte ankam, dauerte nur wenige Minuten.
Draußen war inzwischen einer von Oskars Leuten eingetroffen, der uns die versprochenen umgerechnet dreißig Mark auszahlte, und zwar in kolumbianischen Pesos. Anschließend wurden wir mit einem Taxi zurück in die Altstadt verfrachtet, wo sich die kleine Gruppe auflöste. Ich gebe zu, wegen der Aktion Bedenken gehabt zu haben, aber die Behörden, unter deren Augen der Geldwechsel abgelaufen war, hatten offenbar keine rechtliche Handhabe, dagegen einzuschreiten. Hinzu kam der geschäftsmäßige Eindruck, den ich auf der Bank gewonnen hatte. Wie José mir versichert hatte, lief diese Steuerhinterziehung offenbar schon eine ganze Weile. Wahrscheinlich wollte man es sich auch nicht mit den Touristen verderben, die man ebenfalls wegen Beihilfe zur Verantwortung hätte ziehen müssen. Außerdem, und das scheint mir fast der wichtigste Punkt, sich mit Banken anzulegen, macht wohl kein Staat gerne.
Abarbeiten von Notwendigkeiten
José erwartete mich da, wo ich ins Taxi gestiegen war und erkundigte sich nach dem Verlauf. In einer tienda, beim Bier, das ich wegen der großen Hitze erst mal verordnet hatte, beschlossen wir an diesem Tag etwas gediegener Essen zu gehen. José erbot sich mir ein Restaurant zu zeigen. In der prallen Mittagssonne führte mich José in ein etwas besseres Viertel der Altstadt, wo wir in einem Hof im Schatten einen Tisch nahmen. Ich sah die Karte und bereute fast, ihn die Wahl gelassen zu haben. Gut zehn Mark pro Essen war viermal so teuer, wie in unseren beiden Stammrestaurants und das Bier lag ebenfalls um ein mehrfaches über dem Preis, den ich sonst bezahlte. Immerhin kam der Besitzer persönlich, um mich und José zu begrüßen und er spendierte mir einen tinto, das ist eine Art Espresso.
Während wir auf das Essen warteten fiel mir wieder die für Cartagena so typische Mauer auf. Unregelmäßig geformte Korallenblöcke mit einem speziellen Mörtel dazwischen. Diese, meist kolonialzeitliche Bauweise machte die Gebäude Cartagenas so unverwechselbar und gab ihnen diesen einzigartigen Charme. Ich konnte gar nicht anders, als mich hier wohlzufühlen und mein Ärger über die hohen Preise in diesem Restaurant waren schnell vergessen. Außerdem wußte ich sehr wohl, daß man hier noch um einiges teurer Essen konnte. Aber da hätte man wohl José nicht reingelassen.
Wir kehrten zum Hotel zurück und verabredeten uns für den Nachmittag erneut, nachdem ich geruht und das Fahrrad zusammengesetzt hatte. Als José zurückkehrte, war ich noch mit der Fahrradmontage beschäftigt. Er ging mir zur Hand und bald darauf waren wir unterwegs zu einigen Reisebüros, um einen Rückflug für mich zu finden. Es gab durchaus brauchbare Angebote und im Nachhinein stellte ich tatsächlich fest, daß der Konkurrenzdruck hier größer war, als in Bogotá, wo ich etwas mehr für den Flug bezahlen mußte. Außerdem hätte hier auch José etwas davon gehabt, der ja von Kommissionen lebt.
Auf dem Rückweg trafen wir zufällig Oscar, dem ich nun vermelden konnte, daß er das Fahrrad nun begutachten könne. Wir gingen zurück ins Hotel, holten mein Rad und trafen Oscar erneut. Nur, daß wir uns nicht über den Preis einig werden konnten. Da ich gut siebzehnhundert Mark bezahlt hatte, war ich nicht bereit unter sechshundert Dollar zu gehen, während Oskar nicht über vierhundert Dollar bezahlen wollte. Schließlich verließen wir Oscar und ich hatte die Hoffnung, daß er es sich noch mal überlegte, aber ich forderte José auf, die Augen nach weiteren potentiellen Käufern offen zu halten. Aber an diesem Tag hatten wir kein Glück. Alle die José ansprach, hatten keine rechte Preisvorstellung, was ich bereits an den Fragen merkte, die sie mir zu dem Fahrrad stellten. Der einzige, dem ich ansah, daß er in der Lage war, den wahren Wert des Fahrrads zu erkennen, winkte sofort ab, soviel Geld habe er nicht, meinte er, noch bevor ich einen Preis genannt hatte. Nun muß man allerdings wissen, daß man hier ein Moped oder kleines Motorrad hier billiger bekommt, als das, was ich für mein Fahrrad verlangte.
Zurück im Hotel, mußte ich noch eine Speiche tauschen, bevor ich zum Abendessen ging. Diesmal natürlich wieder billig. Den Abend verbrachte ich, wie üblich in der Hotelhalle.
An diesem trüben und regnerischen Tag ließ ich mich von José an die Universität bringen. Wir nahmen den Bus Richtung Südwesten, fuhren an der Festung San Felipe und der Popa vorbei und kamen fast genau vor dem Eingang der Universität an. José erkundigte sich beim Pförtner nach den Geologen und wir wurden an die Ingenieurfakultät verwiesen. Hier stellte sich nach einigem Fragen heraus, daß der Geologe erst am Freitag, also in drei Tagen wieder hier sein würde. Unverrichteter Dinge kehrten wir wieder zurück. Inzwischen hatte ein tropischer Regenguß eingesetzt, der, wie ich vom Bus aus sehen konnte, die teilweise ungeteerten Straßen bis zu fünfundzwanzig Zentimeter unter Wasser setzte. Durch den Wolkenbruch wurden die Temperaturen erträglicher, aber später, als die Sonne durch Wolkenlücken schien, verdunstete das Regenwasser und die Luftfeuchtigkeit stieg fast ins Unerträgliche.
Nach dem Mittagessen klapperten wir in Bocagrande weitere Reisebüros ab, die aber wegen der besseren Lage jedoch teurer waren, als die in dewr Altstadt am Vortag. Weil sich am Morgen Avianca gemeldet hatte, fuhren wir anschließend mit dem Bus zum Flugplatz, wo ich meinen Hammer abholen konnte. Da der Schuhmacher den Absatz der frisch besohlten Schuhe nicht richtig befestigte hatte, brachte ich ihm die erst am Vortag abgeholten Schuhe zurück.
Außerdem führte mich José zu einem der Smaragdhändler, zu denen er normalerweise zahlungskräftige Touristen zum Kauf eines ausgefallenen Souvenirs schleppte. Dieser berichtete mir von der Arbeitssituation für Geologen aus seiner Sicht. Leider waren seine Erkenntnisse und Vorschläge wenig berauschend. Die wenigen Jobs, die es überhaupt gab, waren offenbar alle im Urwald bei der Guerilla. Als ob die harten Bedingungen des Dschungels nicht reichten, war damit zu rechnen, in Kämpfe mit der Guerilla oder den Paramilitares verwickelt zu werden. Kämpfen und prospektieren erschien mir gleichzeitig kaum praktzierbar.
Weil ich eingesehen hatte, daß es hier nicht so ruhig war, wie ich mir das gewünscht hatte, ließ ich mir von José eine Fahrkarte nach Barú beschaffen. Von meinem ersten Aufenthalt war mir dieser Strand eine Bootstunde südlich der Stadt, als der schönste der ganzen Reise in Erinnerung geblieben. Hier gedachte ich mich gut vierundzwanzig Stunden lang zu entspannen.
Doch noch etwas Ruhe
Morgens holte José mich ab und begleitete mich zum Hafen. Der Himmel war recht wolkenverhangen und ich befürchtete wieder einen Regenschauer, aber die starke Tropensonne löste die Wolken im Tagesverlauf auf. Diesmal war es aber nicht die Touristenanlegestelle, von der aus ich beim ersten Mal abgelegt hatte, sondern ein Teil des Wirtschaftshafens, von dem aus das Boot abfuhr, das sich jedoch nicht von dem unterschied, mit dem ich vor gut einem halben Jahr gefahren war. Nach der Anreise mit dem Bus standen wir zwischen Verkaufsständen in einer Menschenmenge, die diesen Markt am Hafen besuchte. Offenbar, weil er wußte, daß wir an diesem und am nächsten Tag nicht gemeinsam unterwegs waren, bestand er auf einigen schnell geschütteten Abschiedsbieren.
Schließlich trennten wir uns und ich ging an Bord. Während das knapp fünfzehn Meter lange Boot mit Sonnenverdeck ablegte, sah ich hinter den Marktständen ein flaches, zweistöckiges Gebäude, auf dem INGEOMINAS stand. Die hiesige Außenstelle des Geologischen Dienstes. Ich nahm mir vor, zurückzukehren und mich bei den Kollegen zu informieren, sobald ich den Ausflug beendet hatte.
Nach einer schnellen Bootsfahrt an den bekannten Sehenswürdigkeiten vorbei, erreichte die lancha knapp eine Stunde später die ehemalige Insel, die inzwischen mit einer Brücke mit dem Festland verbunden war. Ich hielt mich nach links, weil ich bei meinem ersten Besuch die rechte Seite des Strands erkundet hatte und wußte, daß an der wenige hundert Meter entfernten Landspitze ein Privathaus war. Der Strand rund um die Anlegestelle war mir zu bevölkert, weil hier tagsüber immer wieder Touristenboote ihre Fracht absetzten und es hier einige kleine Verkaufsstände mit überdachten Tischen und Bänken gab. Ein paar hundert Meter den Strand entlang, war schließlich niemand mehr. Gerade, als ich beginnen wollte, die Hängematte auszupacken, kamen zwei Einheimische vorbei, die mir rieten noch etwas weiter zu gehen, weil es dort einen noch schöneren Platz geben sollte. Außer diesen beiden kamen später am Nachmittag drei junge Männer an mir vorbei. Das waren alle, die ich in den sechsundzwanzig Stunden, die ich hier verbrachte, zu sehen bekam.
Die Stelle, die mir die beiden Männer empfohlen hatten, war tatsächlich besser, als der Ort, den ich ursprünglich gewählt hatte. In einem geradezu idealen Hängemattenabstand fand ich zwei Bäume mit weit ausladenden Ästen, wo ich meine Hängematte im Schatten aufhängen konnte. Anschließend ging ich kurz ins sieben Meter entfernte Wasser. Hier offenarte sich die einzige leichte Schwäche des Ortes: Korallen im seichten Wasser. Glücklicherweise war aber zwischen ihnen meist genügend Platz, so daß ich weit genug hinauslaufen konnte, um zu schwimmen.
Zurück in der Hängematte, genoß ich den Schatten, den leichten Seewind, die Rufe der Vögel, das Summen der Insekten und die herrliche Aussicht über das rauschende Meer. Zwischen den Bäumen sah ich ab und zu einen grauen Pelikan vorbeiziehen. Den Gedanken von hier wieder aufbrechen zu müssen schob ich ganz weit von mir.
Nicht weit von hier, auf der anderen Seite der Bucht, am Punta Gigante, hatte Humboldt üble Erfahrungen machen müssen, als er knapp zweihundert Jahre vorher hier gewesen war. Entlaufene Negersklaven waren ihm und Bonpland auf den Fersen, um sie mindestens auszurauben, als sie sich nur mit knapper Not in ihr Beiboot retten konnten, bevor die cimarrones ihrer habhaft wurden. Heutzutage sind deren Nachfahren genauso feige, wie alle anderen Südamerikaner. Nicht, daß man einem Touristen nicht gern in die Tasche fassen möchte, um die soziale Schieflage zu korrigieren, aber sich dafür erwischen lassen, würde niemand in Kauf nehmen. Daher sah ich den jungen Schwarzen nur von hinten und rennend, als ich durch das Knacken eines Zweiges unter den Füßen aus der Siesta hochschreckte. Sein Ziel war zweifelsohne meine große Satteltasche gewesen, in die ich gepackt hatte, was ich für diesen Ausflug zu brauchen glaubte. Meine Konsequenz war daraufhin, die Satteltasche zwischen meinen Füßen in der Hängematte zu behalten, was wegen der Größe der Hängematte kein Problem war.
Nach einem erneuten Bad, wurde es Zeit, zu Abend zu essen, weil ich wußte, daß in der Dämmerung die Moskitos kommen würden. Daher lag ich anschließend rauchend unter Hängemattenkokon, den mir Reinaldo in Santa Marta geschenkt hatte. Als es komplett dunkel war, das heißt, die Sterne und er Mond über dem Karibischen Meer schienen und die Landschaft mit einem silbrigen Licht überzogen, verließ ich den Kokon wieder und setzte mich auf ein Korallenbruchstück am Strand und genoß meinem mitgebrachten Rum. Es ist schwer zu sagen, wo es mir besser gefallen hatte, hier oder vor dem Zelt hinter Ayacucho auf über viertausend Metern in den Zentralanden. Gemeinsam war den beiden Orten auf jeden Fall die Einsamkeit und die Ruhe, die ich hatte genießen können. Und der überwältigende Sternenhimmel.
Nach dem Frühstück war ich etwas schwimmen, bevor ich am Strand einige Korallenbruchstücke aufsammelte. Schon am Vorabend hatten mich trotz meiner Vorsichtsmaßnahmen einige Mücken gestochen und am Morgen ebenfalls. Das wäre wohl nur durch den Einsatz heftiger Chemie zu verhindern gewesen. Einen Teil des Vormittag verbrachte ich wieder in der Hängmatte, aber als es Mittag wurde, war ich doch nicht völlig unglücklich, einpacken zu müssen.
Am frühen Nachmittag erreichte ich die Anlegestelle des Touristenbootes, das diesmal erheblich größer war, als die anderen, die ich bisher gesehen hatte. Während die kleineren Boote so weit, wie möglich ans Ufer gefahren waren und die Fahrgäste etwa oberschenkeltief durchs Wasser an den Strand waten mußten, landeten hier die Touristen mit einem Beiboot, das zwar etwas näher ans Ufer herankam, aber durchs Wasser waten war immer noch nötig. Das dreistöckige Schiff war etwa vierzig Meter Lang und etwa acht Meter breit. Ich setzte mich oben aufs Deck und genoß ein letztes Mal die Landschaft und das Meer südlich von Cartagena.
Plötzlich setzte sich eine Frau Mitte zwanzig neben mich. Sie war groß, schlank und trug ihr welliges blondes Haar knapp schulterlang. Ich hatte sie im Punta Arena vor einigen Tagen in Begleitung zweier Männer in ihrem Alter gesehen. Offenbar hatte sie für kurze Zeit ebenfalls dort gewohnt. Wir hatten dort nicht miteinander gesprochen, so daß es für mich etwas überraschend kam, daß sie mich nun ansprach. Wir unterhielten uns auf Englisch und ich hörte, daß sie aus Nordamerika stammte. Daß sie heraushörte, woher ich kam, glaube ich nicht. Es war eher Small Talk, was wir betrieben. Bis sie mir sagte, sie hätte sich von ihren Begleitern getrennt. Ich blieb höflich aber auch distanziert, obwohl ich die Frau durchaus ansprechend fand. Von meiner Reise erzählte ich ihr nichts, nur, daß ich zum Ausruhen hier sei. Nach etwa einer halben Stunde verließ sie mich wieder mit der Bemerkung, sie wolle mich nicht länger stören. Ich antwortete artig, daß sie mich nicht störte.
Beim Verlassen des Schiffs, diesmal an der bereits bekannten Touristenmole nahe des Zentrums von Cartagena, war sie plötzlich wieder neben mir und fragte mich, ob ich immer noch in diesem Hotel wohne. Ihr Ton erschien mir despektierlich und ich antwortete, daß es mir dort gefalle. Ich würde doch sicher zu Fuß zurückgehen, vermutete sie und ob ich nicht ein Taxi mit ihr teilen wolle. Ich bestätigte ihr, daß ich zu Fuß zurückkehren würde. Ich vermutete, daß sie in einem Hotel wohnte, das ganz in der Nähe war, eben jenes, das ich bei meiner ersten Ankunft in Cartagena ausgewählt, aber nicht gefunden hatte. Technisch gesehen wäre das Taxi kein Problem gewesen, aber ich wollte ihr keine weitere Angriffsfläche bieten und lief weiter. Sie war genauso plötzlich wieder verschwunden, wie sie gekommen war.
Weitere Versuche Fuß zu fassen
Die Bootsfahrt hatte mit dem großen Boot länger gedauert und bis ich meine Sachen erneut umgepackt und geduscht hatte, war es schon fast Zeit zum Abendessen. Im Foyer sprach mich ein junger Brasilianer an. Diego war Zimmermann und versuchte hier Arbeit zu finden. Da er kein Geld hatte, behauptete er schon gegessen zu haben, als ich sagte, ich würde nun Essen gehen. Wir verabredeten uns nach meiner Rückkehr erneut. Den Rest des Abends saßen wir in der Hotelhalle und unterhielten uns.
Verabredungsgemäß ging ich nach dem Frühstück zu dem Restaurant, wo sich Oscars ausländische Steuerhinterziehungshelfer trafen. Um nicht zu sehr aufzufallen, lief ich am Eingang vorbei und postierte mich etwas weiter daneben. Auch, weil ich nicht ins Restaurant wollte. Ich stand noch nicht richtig, als die Frau vom Vortag den Kopf herausstreckte und sich in meine Richtung wandte. Ich sah ihr Erschrecken, als sie mich sah und es war ihr offenbar peinlich mich hier zu treffen. Ich grinste sie freundlich, aber unverbindlich an. Wir sind nicht mehr ins Gespräch gekommen.
Einer der Ausländer, ein junger Ami mit langen blonden Haaren machte den Kapo und verteilte uns in zwei Taxis und besorgte die Koordination. Ich sagte ihm, daß ich später am Vormittag noch einen Termin hätte und bei der ersten Gruppe, die in die Bank ging dabei sein mußte. Obwohl er es mir zugesichert hatte, mußte ich bei der zweiten Gruppe warten. Daher wartete wir ziemlich lange, bis wir endlich unsere Unterschriften unter die Wechselbelege setzen konnten. Draußen beim Auszahlen der Prämie nahm ich mir den Ami vor, der uns koordiniert hatte, denn inzwischen hätte ich längst an der Uni sein sollen. Für mehr, als zu einer recht schlappen Entschuldigung hat es bei ihm aber nicht gereicht.
Verärgert bestieg ich ein Taxi, das mich direkt zur Uni brachte, wo ich zum Zimmer des Geologen, Professor Vega, hastete. Eigentlich hätte er jetzt nur noch wenige Minuten für das Gespräch gehabt, weil sein Unterricht begann, aber er unterhielt sich eine halbe Stunde lang mit mir. Peinlich berührt bedankte ich mich mehrmals für die Zeit, die er sich meinetwegen nahm und forderte ihn auf, seine Studenten nicht länger warten zu lassen. Immerhin, so stellte sich heraus, wurden hier gar keine Geologen ausgebildet, sondern Ingenieure hörten im Nebenfach ein paar geologische Grundlagen, die sie bei ihren späteren Tätigkeiten unterstützen sollten. Dieser Umstand beruhigte mich etwas. Was der Professor, der eigentlich in Medellin saß, über den Arbeitsmarkt zu berichten wußte, erfreute mich allerdings weniger. Ihm jedenfalls schien das Gespräch mit mir Spaß zu machen und er beantwortete meine Fragen mit kolumbianischer Höflichkeit so ausführlich er konnte.
José, der eigentlich vor der Uni auf mich warten sollte, war nicht da. Als ich ins Hotel zurückkehrte, traf ich ihn und er erklärte mir, daß er, weil er nicht mehr daran geglaubt hatte, daß ich trotzdem noch kommen würde, wieder zurückgefahren sei. Wir gingen Essen und ich erläuterte ihm meinen Plan für den Nachmittag. Er sollte mich zur INGEOMINAS-Außenstelle begleiten, die bei meiner Abfahrt nach Barú gesehen hatte.
Seiner Initiative beim Pförtner war es zu verdanken, daß nach einigem Hin und Her schließlich ein Geologe auftauchte, der bereit war, sich mit zu unterhalten. Neben einem Einblick in die Arbeit der Außenstelle, der zwar interessant war, bei dem ich aber deswegen nicht so glänzen konnte, weil am Meer eher Sedimentations- und Lebensprozesse untersucht werden und weniger Strukturgeologie und Gesteinsphysik. Wenigstens bei der Luftbildauswertung konnte ich etwas punkten. Entscheidender aber war, daß auch seine Einsicht in den Arbeitsmarkt eher ernüchternd war, auch wenn die Informationen, die er hatte nicht gerade die allerneusten waren. Und für eine Stelle beim Geologischen Dienst mußte ich in Bogotá bei der Hauptstelle vorsprechen. Immerhin erhielt ich eine Firmenliste für Bogotá, die ich abklappern konnte.
Die letzten drei Tage in Cartagena
Nach einem Bier in der Nähe des Hotels entließ ich José für diesen Tag und meldete mich bei meiner Mail-Gemeinde. Nach dem Abendessen zog ich mich ins Hotelfoyer zurück, wo ich den Abend mit einigen Gästen vor dem Fernseher verbrachte.
Morgens stand José wieder da, aber ich hatte nichts mehr für ihn zu tun, denn ich saß im überdachten Innenhof des Hotels und reinigte das Fahrrad ausgiebig. Er blieb eine Weile, bis er merkte, daß an diesem Tag nichts für ihn herausspringen würde. Auch für den folgenden Tag sagte ich ihm, daß ich allein zurechtkäme.
Vor dem Mittagessen machte ich einen Spaziergang zum Meer und setzte mich auf die Felsen, die als Wellenbrecher ins Meer geschüttet worden waren. Hinter mir lief zwar der Verkehr auf der Straße entlang der Stadtmauer, aber ich genoß den Ausblick auf die See und hörte den Möwen und den Wellen zu. Schließlich kehrte ich zurück in die Altstadt, ging essen und hielt Siesta.
Am Nachmittag machte ich dem Uhrmacher in Einkaufszentrum von Getsémani, wie der Teil der Altstadt, in dem ich mich aufhielt hieß, einen Besuch, der mir bei meinem ersten Aufenthalt den Wecker repariert hatte. Er war hocherfreut, mich wiederzusehen und ich blieb gut eine halbe Stunde in seinem Laden, wo wir uns angeregt unterhielten. Er berichtete mir vom Leben Cartagenas und ich ihm von meiner Reise.
Zurück im Hotel, beschäftigte ich mich erneut mit dem Fahrrad, bis es Zeit wurde, zum Abendessen zu gehen. Ich traf später erneut auf den Brasilianer Diego, mit dem ich mich über seine Pläne unterhielt, die genauso zu scheitern drohten, wie meine Arbeitsbemühungen.
Den Vormittag nutzte ich, um mich bei Avianca für den Rückflug anzumelden und mein Gepäck neu zu arrangieren. Anschließend lief ich durch die glühendheiße Altstadt, um mir die Zeit bis zum Mittagessen zu verkürzen. Den Nachmittag nach der Siesta nutzte ich, um mich im Reiseführer an Bogotá zu erinnern. Als es etwas kühler wurde, lief ich erneut durch die Straßen der Altstadt. Ich konnte mich an der Metropole der kolumbianischen Karibik und dem Leben ihrer Bewohner gar nicht satt sehen. Einer von Josés Konkurrenten, "der Mexikaner", den ich früher schon kennengelernt hatte, drückte mir seine Visitenkarte in die Hand und wollte, daß ich mich zukünftig von ihm führen ließ. Ich sagte ihm, daß ich mit José sehr zufrieden sei und keinen Grund sehe, ihn auszutauschen. Er gab mir trotzdem ein paar Tipps für die Stadt, wohl weil er hoffte, er könne damit größere Kompetenz beweisen. Auch, wenn er wußte, daß es ihm nichts nützte, er blieb gleichbleibend enthusiastisch und überschwenglich im Umgang mit mir.
Nach dem Abendessen blieb ich wieder im Hotel und verbrachte den Abend mit einer Mischung aus Konversation mit Marina und anderen Gästen, sowie Fernsehen.
Morgens stand José wieder bereit, um mit mir erneut eine Verkaufstour mit dem Fahrrad zu unternehmen. Wir liefen mehrere Stunden durch die Altstadt, aber niemand fand sich, der das Fahrrad zu meinem Preis haben wollte. Schließlich erfragte José einen Laden, wo ich einen Transportkarton für das Fahrrad bekommen konnte, weil der, den ich La Paz bekommen hatte, sich auflöste. Ich fuhr schnell selbst mit dem Fahrrad hin und holte den sperrigen Karton.
Nach dem Mittagessen half er mir, das Fahrrad zu zerlegen und verpacken. Da ich ihn nicht mehr jeden Tag, an dem wir zusammen waren, bezahlen konnte, schenkte ich ihm meine Machete, die er, wie ersagte, in seinem Garten zum Einsatz bringen wollte. Einige andere Kleinigkeiten ließ ich ihm ebenfalls, weil ich befürchtete, Gewichtsprobleme im Flugzeug zu bekommen.
Mit meinem Wunsch, einen Aufkleber zu finden, auf dem Colombia es chévere (Kolumbien ist klasse) oder etwas Vergleichbares stand, stieß ich nicht nur bei José auf Unverständnis. Die Menschen fanden ihr Land nicht so toll, wie ich, weil fast vierzig Jahre Guerilla und Bürgerkrieg zu viel Leid über die Menschen gebracht hatte. Dagegen half noch nicht einmal die lockere Lebenseinstellung der Bewohner der Karibikküste, die wegen der Touristen und der Einnahmen, die sie bringen, wohl der bestgeschützteste Landesteil ist, obwohl man kaum Militär sieht.
Als sich der Nachmittag dem Ende zu neigte, gingen wir in eine tienda, um mit dem Abschiedfeiern zu beginnen. Später in Restaurant bestand José darauf, daß er zu Hause essen müsse. Aber Bier trinken, das konnten wir. Als wir ins Hotel zurückkehrten, trafen wir Diego, der uns anschließend in eine Kneipe begleitete, die José ausgesucht hatte. Nicht zu spät beendeten wir den Abend schließlich im Foyer des Hotel, wo ich mich herzlich von José verabschiedete.
Der Ausflug nach Cartagena hatte sich trotz allem gelohnt. Übernachtung für sieben Mark fünfzig, Essen für zweifünfzig und der Flug für neunzig Dollar hin und zurück. Dafür eine gute Woche an der Karibik in einer bemerkenswerten Stadt mit einmaligen Menschen. Ich hatte keinen Moment bedauert, zurückgekehrt zu sein.