Stefan K. Beck, Privatgelehrter und Projektemacher

Tagebuch

65. Abancay

Von Andahuaylas nach Abancay

Ich wußte, daß mir eine ähnliche Etappe, wie hinter Ayacucho bevorstehen würde. Von zweitausendsiebenhundert Metern auf viertausendeinhundert. Nach gut zwanzig Kilometern und tausend Höhenmetern verlor ich die Lust, mich weiter zu quälen. Gegen die schlechte Straße und den steilen Anstieg hatten auch nicht die stellenweise wunderbaren Andenpanoramen geholfen. Genausowenig, wie die Pause, die ich in einem kleinen Nest gemacht hatte, wo ich mir ein paar Brötchen gekauft hatte. Zuerst war ich durch Kulturland, später durch Weideland gefahren. Weil es nicht mehr so trocken war, wie ich es auf den vorangegangenen Etappen erlebt hatte, wohnten in dieser Region mehr Menschen, aber von einer dichten Besiedlung zu sprechen, wäre immer noch maßlos übertrieben.

Der Kartoffellaster

Als ein LKW vorbeikam, nutzte ich die Gelegenheit, auch wegen des Achters im Hinterrad, und sprang auf. Mit dem Fahrer des ziemlich langsamen Fahrzeugs entspann sich eine lebhafte Unterhaltung, die jedoch unterbrochen wurde, als sich weitere Fahrgäste einstellten, weil ich das Fahrrad nicht mit denen hinten auf der Ladefläche unter der Plane alleine lassen wollte. Die Fahrt hier war nicht nur erheblich holpriger, sondern auch staubiger, was aber mehr an der nicht gereinigten Ladeplattform, als am Straßenstaub lag. Ein etwa fünfzigjähriger Mann mit seinen beiden Söhnen, die um die zwanzig waren, waren nun meine Reisebegleiter. Sie waren typische Bauern.

Als ich nach einer Weile eine Kippe drehte, sprach mich der Alte an und wollte ebenfalls rauchen. Er hatte mich aber als gringo angesprochen, wovon ich schon lange genug hatte. Ich nannte ihn pendejo, was etwa Trottel bedeutet und zu meinem Standardkonter für das ungeliebte gringo, das mir auf der Fahrt immer wieder zugerufen wurde, avancierte. Und geraucht habe ich allein.

Schließlich hielt der Laster an. Der Fahrer hatte mir vorher erklärt, daß er zwar nach Abancay führe, aber vorher Kartoffelsäcke laden mußte. Dabei hatte er mir allerdings verschwiegen, daß er dazu die Höfe der weiteren Umgebung einzeln anfahren mußte. Ich erkannte bald, daß die Aktion Stunden dauern würde und ich hatte keine Lust, erst gegen Mitternacht in Abancay einzutreffen. Also lud ich mein Fahrrad ab und setzte meinen Weg trotz des Achters im Hinterrad fort. Zum Abschied fragte ich den Fahrer nach seinem Preis, dafür, daß er mich mitgenommen hatte. Da ich nicht zum ersten Mal mitgefahren war, hatte ich einen Überblick über die ortsüblichen Tarife, die mir manchmal sogar erlassen worden waren. Sein Preis war unverschämt, was ich ihm auf den Kopf zu sagte. Ich zahlte und ließ die Männer stehen.

Wechsel in den Bus

Einige Kilometer weiter plagten mich wieder Verdauungsprobleme. Unter mir sah ich in einem kleinen Tal den Ort Kishuara liegen, in dem der Engländer, dessen Berichte ich studiert hatte, übernachtet hatte. Ich sah dem Ort an, daß ich keine Lust auf ihn hatte, weil ich die Primitivität der Einrichtungen zu spüren glaubte. In diesem Moment kam das einzige Fahrzeug, das mich an diesem Nachmittag überholt hatte, ein Reisebus. Nachdem sich der Schaffner vergewissert hatte, daß ich nicht vor Abancay aussteigen wollte, luden wir Fahrrad und Gepäck ein und ich sprang auf den Bus.

Ohne nenneswerten Höhengewinn umfuhr der Bus das Tal von Kishuara und kurz dahinter, nach einem Durchbruch, konnte ich einen der besten Ausblicke genießen, die ich bis hierher gehabt hatte. Unter mir blickte ich zweitausend Meter tief an den teilweise bewaldeten Hängen entlang auf das Tal des Río Pachachaca. Gegenüber sah ich bis über fünftausend Meter hohe schneebedeckte Berggipfel, drunter den Nevado Ampay.

Am gegenüberliegenden Hang, etwa fünfhundert Meter über dem Flußniveau erstreckte sich Abancay. Da die miserable Piste sich in riesigen Serpentinen mehrmals über den gesamten Hang erstreckte, brauchte der Bus, von dem ich schätze, daß er etwa fünfzig Prozent schneller, als ich auf dem Fahrrad bergab, fuhr, zweienhalb Stunden. Noch bevor er die Brücke über den Pachachaca erreicht hatte, war es dunkel und ich sah die Stadt als beeindruckendes Lichtermeer. Diesen Blick hätte ich tagsüber auf dem Fahrrad nicht gehabt, insofern war die Busfahrt eine echte Bereicherung.

In Abancay

Gegen acht Uhr konnte ich endlich den Bus im Ortskern verlassen. Die Suche nach einer Unterkunft gestaltete sich etwas mühsam, aber ich stieß zufällig auf ein gutes Hotel. Hier nutzte ich zuerst die Gelegenheit, mich unter der nicht ganz heißen Dusche vom Staub des Kartoffellasters zu befreien. Anschließend verließ ich durch den grünen, ruhigen Innenhof das Hotel, um ein Restaurant zu finden. In der Nähe hatte ich einige Auswahl an Restaurants, wo ich á la carte essen konnte. Zufrieden, aber erschöpft kehrte ich ins Hotel zurück, um mich sofort auszuruhen.

Der Tag begann unerwartet gut mit einem richtigen Frühstück: Brötchen mit Erdbeermus. Auch, wenn die Margarine großspurig als mantequilla, Butter, bezeichnet wurde, war ich sehr zufrieden, auch weil das Restaurant zum Garten hin offen war und ich sogar einen Kolibri beim Nektarsaugen an den vielen Blüten beobachten konnte. Ich hatte zweimal hinsehen müssen, weil ich im ersten Moment an ein großes Fluginsekt gedacht hatte, als ich das Summen der Flügel hörte.

Anschließend machte ich mich an die notwendige Fahrradreparatur, putzte und wartete es. Zum Mittagessen blieb ich im Restaurant des Hotels und war genauso zufrieden, wie mit dem Frühstück. Nach der Siesta sah ich mich im Ort ein wenig um und nutzte ein Internet, um mich mal wieder zu melden.

Planänderung

Abends hatte ich eigentlich vor, mir ein Restaurant zum Essen zu suchen, aber der Hotelier lud mich ein, mit seiner Familie zu Abend zu essen. Wir hatten uns bereits am Tag ein wenig unterhalten und zum Abendessen versuchte er nun, unterstützt vor allem von seiner etwa zwanzigjährigen Tochter, mich dazu zu überzeugen, mir die Ruinen von Choquekirao anzusehen.

Dazu, setzte er mir anhand meiner Provinzkarte auseinander, müsse ich nach Cachora mit dem Bus fahren und dann in dem Bergdorf ein Pferd leihen, um damit in einer Tagestour zu den Ruinen auf der anderen Seite des Río Apurimac zu gelangen. Wir redeten eine ganze Weile, bis ich mich, trotz meines Geldmangels und des Fehlens einer Bank zum Einsatz der Kreditkarte, darauf einließ. Leider waren inzwischen die Wechselstuben geschlossen, so daß ich meine Dollarreserven im Geldgürtel erst am nächsten Tag in Soles tauschen konnte. Bis die Wechselstuben aufmachten, würde aber der Bus nach Cachora schon abgefahren sein und ich sollte den Nachmittagsbus nehmen.

Rundgang

Nachdem ich das Frühstück des Hotels genossen hatte, machte ich mich zu den Wechselstuben auf und sorgte für genügend Geld, hoffte ich jedenfalls. Der zweite Bus fuhr erst um halb vier nachmittags, so daß ich Zeit hatte, mir Abancay etwas anzusehen.

Erwartungsgemäß lohnte sich das nicht. Selbst das Heimatmuseum mit archäologischen Funden aus der Umgebung fand ich nicht sehr erbaulich. Ich kehrte zum Mittagessen ins Hotel zurück, hielt nur kurz Siesta und machte mich auf den Weg zur Abfahrtsstelle des Busses. Die war nicht nur völlig unbeschildert, sondern auch schwer zu finden.

Warten auf den Bus

Nachdem ich am nächsten Kiosk meine Fahrkarte gekauft hatte, stand ich eine Weile herum und wartete. In dieser Zeit hat mich ein Mann angesprochen und mich in ein Gespräch verwickelt. Er erzählte mir, er sei aus Cachora und wüßte genau, wo ich hinzugehen hätte.

Da wir zur Abfahrt des Busses immer noch Zeit hatten, fragte er mich, ob ich schon chicha getrunken hätte. Als ich verneinte, führte er mich in das unweit gelegene Haus eines Freundes, wo ich in den Genuß des Inkamaisbieres kam. Etwas säuerlich, empfand ich es als guten Durstlöscher, aber wenn man Hopfen und Malz gewöhnt ist, wird man dies immer dieser trüben Brühe vorziehen. Wir bedankten uns und gingen zum Bus zurück, gerade noch rechtzeitig, um nicht die schlechtesten Plätze zu ergattern.



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