Stefan K. Beck, Privatgelehrter und Projektemacher

Tagebuch

52. Lima III

Museen ohne Ende

Nach dem Frühstück nahm ich einen vorher im Hotel erfragten Bus nach Südosten in den Stadtteil Jesús Maria zur San Marcos Uni, die immerhin seit 1671 eigenständig war und damit die älteste in ganz Südamerika ist. Hier ging ich ins Museo de Historia Natural Javier Prado.

Die in den Räumen gezeigten ausgestopften Säugetiere, Primaten, Reptilien, Vögel und Fische waren nur mäßig geordnet und nicht immer gut beschriftet. Die Invertebratenabteilung – die der wirbellosen Tiere – im Keller war allerdings ein Witz: Einige Muscheln, unter anderem natürlich wieder die hier unvermeidliche Spondylus, Krebse und Langusten, aber immerhin Krill, fand ich teilweise nicht beschriftet und ziemlich chaotisch angeordnet.

Der Saurierraum war, abgesehen von ein paar schlecht herauspräparierten fossilen Knochenresten aus der Kreide ähnlich enttäuschend: Pappmachésaurier und langatmige Erklärungstafeln und Gemälde von den Fossilien, die man offenbar gern ausgestellt hätte. Aber ein Foto des Urvogels Archäopterix aus Holzmaden auf der Schwäbischen Alb. Hier war der Gegensatz zwischen Anspruch und Wirklichkeit besonders eklatant. Im danebenliegenden Saal gab’s Fossilien aus den Tertiär, der sich anschließenden geologischen Periode. Die Reste eines Mastodonten und eines Riesenkrokodils aus dem Dschungel östlich der Anden waren wegen der Größe beeindruckend, nicht wegen ihrer Präsentation.

Mein Martyrium setzte sich in einem Nebengebäude fort, wo ich mir die Mineraliensammlung ansah. Oberflächlich geordnet, teilweise unrichtig beschriftet, war es besser, daß ich den verantwortlichen Ingenieurgeologen nicht getroffen habe. Immerhin waren einige der fast ausnahmslos aus Peru stammenden Minerale und Gesteine recht spektakulär: ein riesiger, schön kristallisierter Pyrit, ein Selenit, gut ausgebildete Tetrahedrite und einige gute Plutonite, zum Teil mit Einschlüssen des Umgebungsgesteins haben sich in meiner Erinnerung erhalten. Die wenigen Kleinfossilien sind der Erwähnung nicht wert.

Mit dem Taxi fuhr ich nach San Isidro zur Huallapanca-Pyramide. Das Minimuseum am Eingang konnte mich nach den bisher gesehenen Museen nicht begeistern. Aber auch die Pyramide, selbst, wenn sie teilweise rekonstruiert war, erschien mir nicht sehr sehenswert. Der Rundblick auf die modernen Hochhäuser der Umgebung von der obersten, dritten Stufe der Pyramide ist eher frustrierend. Schlimmer noch empfand ich, daß man die interessanten Teile der Pyramide nicht betreten konnte und der Blick von oben herab auf die Reste von Kammern und Schächten ist ohne jegliche Erklärung nutzlos.

Eigentlich hatte vorgehabt, den nächsten Programmpunkt zu Fuß zu erreichen, aber weil ich zwar auf der richtigen Straße, nicht aber in der richtigen Richtung weiterlief, bekam ich den äußerst teuren Stadtteil San Isidro zu sehen. Villen und Hotels, die vor Geld strotzten, Parks, die Armeen von Gärtnern benötigten, Luxuskarossen und Wächter sind nicht meine Umgebung. Ich nahm mir viel zu spät ein Taxi, das mich nach San Borja brachte, wo ich eigentlich hatte hinwollen. Da inzwischen Zeit zum Mittagessen war, lies ich mich nur in der Nähe des nächsten Museums absetzen und fragte den taxista, in welcher Richtung es Restaurants gäbe. Nach kurzem Suchen wurde ich fündig und war mit meiner Wahl zufrieden.
Derart gestärkt, machte ich mich auf zum Museo de la Nación. Es sollte die größte Anstrengung werden, die ich in einem Museum erlebte, allerdings gehörte es auch zu den besten Museen, die ich auf der ganzen Reise zu sehen bekam.

Fünf Stunden war ich beschäftigt, um alle Räume zu sehen und einen Großteil der guten Erklärungstafeln zu lesen. Das riesige mehrstöckige Betongebäude war schon von weitem zu sehen. Am Eingang erlebte ich eine positive Überraschung. Weil das Museum Jubiläum feierte, war der sowieso schon billige Eintritt ganz ausgesetzt. Auf drei Stockwerken fand ich jegliche vorspanische Kultur mit allen möglichen Materialien vertreten: Keramik, Textilien, Metall, Knochen, Stein und Holz. Bunte Friese auf Lehmziegeln, wie beispielsweise El Brujo, das zu besuchen ich in Chocope versäumt hatte. Teile des Grabes des Herrn von Sipán, den ich in bereits bei Chiclayo gesehen hatte. Von den wichtigen Fundpunkten gab’s mindestens Luftbilder, von anderen, wie Machu Picchu zum Beispiel, sogar großangelegte Modelle. Und alles hervorragend erklärt. Es ist schwer zu sagen, was mich mehr erschlagen hat: Die Fülle der Eindrücke oder der Marsch mit der fortgesetzten Konzentration. Ich habe kein Museum in Peru gesehen, auch nicht auf der gesamten Reise, das mich derart umfassend in die Indianerkulturen vor der Conquista eingeführt hat und dabei noch so viele gute Artefakte aufzuweisen hatte.

Ziemlich erschöpft ließ ich mich im Taxi nach Süden in den Touristenstadtteil Barranco fahren, um gerade noch rechtzeitig vom mirador, einem Aussichtspunkt, die Sonne im Meer versinken zu sehen. In der einsetzenden Dunkelheit lief ich durch die Gassen zwischen den kolonialzeitlichen Villen – schon in siebzehnten Jahrhundert war der Ort ein mondänes Seebad –, um mich in einem Restaurant etwas zu erholen. Mit meiner Wahl hatte ich allerdings Pech, weil der erwartungsgemäß hohe Preis eine starke Diskrepanz zur Qualität aufwies.

Verärgert lief ich hinterher durch die Straßen, bis ich zufällig auf das Museo de la Electricidad traf, das sogar noch offen war. Weil es keinen Eintritt kostete und nicht sehr groß war, bin ich hinein, obwohl mein Bedarf an Museen für diesen Tag eigentlich schon mehr als gedeckt war. Ich fand die Geschichte der Elektrifizierung Perus und die Modelle einiger Kraftwerke, aber auch nette physikalische Versuche zum Selbstbedienen, die dem Verständnis von Strom dienen sollten. Teilweise hatte ich aber auch den Eindruck, daß Philips hier hatte alten Müll loswerden wollen.

Während ich durch die laue Nacht zurücklief, um ein Taxi anzuhalten, sah ich eine recht einladend aussehende Kneipe. Das Ambiente schwankte zwischen Antiquitäten- und Trödellager, war aber ganz interessant. Der Wirt, der mich bediente, lobte mein Spanisch, aber ich konnte ihm das Lob für sein Deutsch zurückgeben. Da er schnell merkte, daß ich kein Tourist der üblichen Sorte, die er sonst zu sehen bekam, war und weil er mir auch nichts von seiner Einrichtung teuer verkaufen konnte, verlor er bald das Interesse an mir.

Irgendwann nahm ich ein Taxi zurück nach Breña zum Hotel, wo ich an diesem Tag keine Aufzeichnungen und Planungen mehr machte, sondern mich auf mein Zimmer zurückzog, um zu ruhen.

Das Goldmuseum

Einerseits, weil der Vortag recht anstrengend war und weil ich andererseits nur einen einzigen Programmpunkt abzuarbeiten gedachte, schlief ich einigermaßen lange und ging in die Panadería Liguria, um ausgiebig zu brunchen. Gegen elf suchte ich mir ein Taxi, das mich den weiten Weg zum Goldmuseum im Osten der Stadt bringen sollte. Da ich im Hotel gefragt hatte, was eine Taxifahrt kosten durfte, habe ich den Fahrer gefragt, was er verlange, bevor ich einstieg. Da der Mann den Preis um etwa dreißig Prozent höher ansetzte, sagte ich ihm, wieviel ich zu zahlen bereit war. Als er sich darauf nicht einlassen wollte, sagte ich "Adiós" und entfernte mich, um auf einen weniger unverschämten Taxifahrer zu warten. Der Mann erkannte, daß ich es ernst meinte und rief mich zurück, um mir zu sagen, daß er mich zu meinem Preis befördern würde. Also stieg ich ein. Der Weg war ziemlich weit und die Fahrt ging durch Stadtteile, die ich bisher noch nicht gesehen hatte. Im besseren Wohnviertel Monterico erreichten wir schließlich unser Ziel. Da mich der taxista auf der Fahrt gut unterhalten hatte, gab ich ihm ein Trinkgeld, bevor wir uns verabschiedeten.

Das große, zweistöckige Gebäude lag in einem Park und war von einigen Läden für Touristen umgeben. Zuerst erschienen mir die gut zwölf Mark, die der Eintritt kostete, ziemlich viel, aber dadurch, daß das Goldmuseum zusätzlich ein Museum für Textilien und Keramik sowie eine riesige Waffenschau bot, kann man sagen, daß es eigentlich drei Museen sind, die man hier geboten bekommt. Und dafür ist der Preis angemessen. Außerdem wirbt man zurecht damit, daß viele der Ausstellungsstücke von derart erlesener Qualität sind, daß sie weltweit an Museen und Sonderausstellungen verliehen wurden und werden, wie unzähligen Plakate im Treppenaufgang beweisen. Ärgerlich hingegen fand ich die schlechte Ausleuchtung der Mehrzahl der Exponate und der Mangel an Hinweisschildern und Erklärungstafeln. Ich erklärte mir letzteres mit dem Verkauf des Katalogs und den Museumsführern, die natürlich nicht im Eintrittspreis inbegriffen sind. Dadurch wird das Museum jedoch auch leichter konsumierbar, zumindest für diejenigen Besucher, denen die augenblickliche Sinnesfreude wichtiger ist, als das nachhaltige Verständnis der frühen Kulturen Perus.

Die Waffenabteilung im Erdgeschoß bot eine schier unüberschaubare Masse an historischen Waffen, Rüstungen, Schilden, Uniformen, Helmen und Perdegeschirren aus allen Kontinenten und Zeiten. Dazu kamen Orden und Ehrenabzeichen aus allen Teile der Welt. Ostasiatische Schwerter und Brustpanzer, arabische Vorderlader, europäische Ritterrüstungen, Feuerwaffen aus dem Wilden Westen, Speere und Schilde aus Afrika und Waffen der präkolumbischen Indianer Südamerikas sind nur ein kleiner Teil dessen, was ich zu sehen bekam. In einer kleinen Nazi-Abteilung, in der, neben den üblichen Relikten, angeblich die Dolche von Goering, Himmler, Röhm und anderen zu sehen waren, fand ich auch eine goldene Walther mit Elfenbeingriffschalen. Obwohl ich ziemlich schnell die Räume durchwanderte, brauchte ich doch mehr als anderthalb Stunden, bis ich mich dem eigentlichen Goldmuseum im Keller zuwenden konnte.

Trotz der Masse an goldenen Stücken, sah ich hier auch Keramiken, Textilien, die teilweise mit Goldfäden durchwirkt waren oder an denen goldene Aufsätze befestigt waren, Gebrauchsgegenstände und ein paar zeremonielle Waffen aus der vorspanischen Zeit. Einige Mumien, an denen die Artefakte offenbar unverändert belassen waren, fand ich ebenfalls ausgestellt. Dieses Museum war sicher das beeindruckendste, das ich auf der gesamten Reise gesehen habe. Allerdings, wenn ich nur den Goldteil mit dem des Goldmuseums in Bogotá vergleiche, war das kolumbianische doch das bessere, selbst, wenn ich zugeben muß, daß der Unterschied nicht besonders groß ist.

Im Obergeschoß waren Textilien, meist Totentücher aus Paracas, und Keramiken, viel von Moche und Chimú, ausgestellt. Weil die Exponate scheinbar, aber wirklich nur scheinbar, von geringer Qualität waren, befanden sich kaum Besucher hier, was ich als angenehm empfand, weil gerade in der Goldabteilung ein Gedränge geherrscht hatte, das mir einen Teil der Freude genommen hatte. Von einen separaten Eingang aus gelangte ich an einigen historischen Geschützen vorbei in die Textilabteilung, die ebenfalls eine Menge Keramiken enthielt.

Hier traf ich auf Ray, den Engländer, den ich bereits im SAE Clubhaus kennengelernt hatte. Der Mann schob seine Alzheimer-geschädigte Frau im Rollstuhl vor sich her. Er erkannte mich sofort und kam auf mich zu. Wir unterhielten uns eine Weile privat, wobei er mir von den Problemen erzählte, die die Krankheit seiner Frau aufwarf, bevor er mich zu den präkolumbischen Kulturen zu befragen begann. Ich war selbst etwas überrascht, wieviel bei mir hängen geblieben war und ich ihm daher vermitteln konnte. Ohne nachzudenken, konnte ich schon von weitem die Nasca-Keramiken, nach denen er gefragt hatte, in den Vitrinen für ihn ausdeuten und ihm einige grundsätzliche Informationen dazu geben. Das brachte ihn auf den Gedanken, ich solle doch Vorträge über die frühen südamerikanischen Kulturen halten. Auch noch nach der Reise, nachdem ich mich meine Kenntnisse zu diesem Thema weiter vertieft hatte, genügte ich meinen Ansprüchen noch nicht, um öffentlich darüber zu reden. Seine Frau, die sich offenbar vernachlässigt fühlte, begann nach einiger Zeit, leise zu jammern. Obwohl wir die einzigen in dem riesigen Saal waren, ging er, seine Frau zu beruhigen. Er kniff ihr in die Brustwarze und erreichte damit, daß die wieder still wurde. Da wir uns recht lange unterhalten hatten und ich den Rest dieses Saals noch gesehen haben wollte, verabschiedete ich mich von ihm und wandte mich wieder den unzähligen riesigen Kästen mit den Stoffresten zu.

Technische Aspekte

Ziemlich geschafft lief endlich aus dem Museum, um ein Taxi zurück zum Hotel zu nehmen. Dieser Fahrer nannte mir sofort den korrekten Preis. Nach gut einer dreiviertel Stunde war ich wieder am Hotel und stellte fest, daß es Zeit zum Abendessen wurde. In der Nähe des Hotels war ein ziemlich teures Fischrestaurant, das ich an diesem Abend ausprobierte. Der Fisch war hervorragend, der Weißwein dazu ebenfalls nicht schlecht, aber es wurmte mich immer, wenn ich für ein Essen das dreifache des Preises, den ich üblicherweise für eine gute comida corriente hinlege, berappen muß. Zurück im Hotel, beschloß ich, meine Berichte für Tagebuch und SAEC sowie die weiteren Planungen bei dem chilenischen Cabernet Sauvignon aus dem Hypermarkt zu machen. Auch an diesem Abend blieb ich ziemlich ungestört.

Nach dem Frühstück kehrte ich ins Hotel zurück, um bei meiner Kreditkartengesellschaft anzurufen. Da ich plante, Lima bald zu verlassen und ich nicht wußte, wo ich wieder Geld tanken konnte, wollte ich diesmal eine größere Summe abheben. Der Bankautomat, den ich bisher benutzt hatte, erschien mir dazu ungeeignet. Außerdem hatte ich die Hoffnung, wie in Quito, eine Dependance zu finden, bei der ich Gebührenfrei abheben konnte. Alle Telefonnummern, die ich herausgefunden hatte, erwiesen sich als Fehlschlag.

Also ging ich, nachdem ich mich für den nächsten Tag in einem Privatmuseum angemeldet hatte, zu der nächsten angegebenen Adresse, aber da konnte man mir, trotz der freundlichen Hilfe einiger Angestellter des Bürohauses und des Pförtners, nicht wirklich weiterhelfen. Die Telefonnummern, die ich erhielt waren genauso nutzlos, wie die, die ich bereits ausprobiert hatte. Schließlich landete ich bei einer assoziierten Bank in Miraflores, wo ich zwar mein Geld bekam, möglicherweise sogar zu besseren Konditionen, aber eben nicht gebührenfrei, wie in Quito.

Wieder ein Taxi, diesmal zum Instituto Geográfico Nacional, wo ich die bisher schwächste Kartensammlung der Reise fand. Ich entschloß mich trotzdem zum Kauf von sechs Provinz-Blättern, die ich für den weiteren Reiseverlauf nötig zu haben glaubte. Daß sie tatsächlich den Gegenwert des Preises, den ich bezahlte, hatten, bezweifelte ich zu diesem Zeitpunkt bereits.

Zurück im Hotel, verstaute ich Karten und Geld und suchte anschließend einen Schneider, um die Hose, die ich auf dem Fahrrad trug, erneut flicken zu lassen. Nicht, daß die Reparatur von Jorge in Chocope, an der Nordküste, schlecht gewesen wäre, nein, die Hose wurde an anderen Stellen ebenfalls brüchig. Nach einem Snack zu Mittag in der schon erwähnten Bäckerei, versuchte ich einen Karton für mein obligates Päckchen mit nicht mehr benötigten Reiseinformationen zu finden. Auch, wenn die Suche weniger aufwendig war, als beim letzten Mal in Quito, brauchte ich eine ganze Weile, bis man mir in einer tienda was Passendes anbieten konnte. Eines der Kartenblätter, das das Kartenamt nicht vorrätig hatte, fand ich beim SAEC, wo ich meine Berichte abgab.

Inzwischen war Max gekommen, mit dem ich mich eine Weile über Lima und dessen Sehenswürdigkeiten unterhielt. Er kannte sie noch nicht alle, so daß ich ihm einige Tipps, auch für andere Klubmitglieder, geben konnte. Im Hintergrund hatte ich vorher schon Ray mit seiner Frau wahrgenommen, den ich danach begrüßte. Da auch er mit seinen Recherchen fertig war, bat er mich, den Rollstuhl mit seiner Frau die Treppe hinunter zu tragen helfen und sie in das bestellte Taxi zu setzen.

Zurück im Hotel bereitete ich das Paket vor und machte mich an die Fahrradwartung. Schließlich stellte ich noch den Abschlußbericht für Lima ins Netz und ging zum Abendessen. Der Abend verlief standardmäßig mit dem Schreiben der Berichte und dem Tagebuch sowie ersten Überlegungen zu der Strecke, die vor mir lag.

In dem guten Fahrradladen des Japaners hatte ich kein Öl für die Kette bekommen, weil offenbar selbst für die Besitzer teurer Fahrräder Wartung ein Fremdwort ist. Immerhin hatte mir der Sohn des „Mister“ einen Supermarkt in San Miguel empfehlen können. Also fuhr ich den weiten Weg mit dem Taxi zu dem Einkaufszentrum, nachdem ich meine Wäsche ein letztes Mal in die Wäscherei gebracht hatte. Ich war etwas zu früh und mußte die Öffnung abwarten. Der Komplex aus mehreren spezialisierten Großmärkten hätte auch Europa oder Nordamerika stehen können. Als ich endlich Einlaß erhielt, durchstöberte ich den zweistöckigen Laden nach Öl. Ich fand verschiedene Sorten und hatte daher die Qual der Wahl. Ich entschied mich für ein Sprühöl mit Reinigungseigenschaften, da die Erfahrung lehrte, wie schnell sich die Kette mit Staub zusetzte.

Beim Stöbern stieß ich auf ein Sonderangebot, das mich an einen Ratschlag erinnerte, den ich wegen der Hunde an der Strecke bekommen hatte. Oftmals war es übertrieben die Machete aus der Scheide zu ziehen, um mich allzu frecher, aber nicht unbedingt aggressiver Hunde zu entledigen. Hier nun fand ich eine billige Wasserpistole, die es mir ersparte in den Fällen, in denen ich nicht gleich zur schwersten Waffe greifen wollte, die Köter anzuspucken, obwohl das durchaus geholfen hat. Einigermaßen zufrieden kehrte ich zum Hotel zurück, wo ich mich meinem Postpaket widmete.

Ein Museumsschmankerl zum Schluß

Nach dem Mittagesen konnte ich die Hose vom Schneider abholen, der eine gute Arbeit geleistet hatte und dabei ziemlich billig war. Ich ruhte ein bißchen im Hotel, bis ich mich nach Miraflores fahren ließ. Hier gab ich das Paket, nicht ganz ohne Schwierigkeiten auf und ging zu der im Führer angegebenen Adresse des Museo Poli. Herr Poli öffnete selbst, denn das Museum ist seine Villa. Mit den zehn Dollar, die er in seinem Wohnzimmer, nachdem alle Besucher für diese Führung eingetroffen waren, kassierte, finanziert er, nach eigener Aussage, den Kauf weiterer Kunstgegenstände.

Die knapp zweistündige Führung durch sein Haus war nach den vielen Museen, die ich den Tagen davor gesehen hatte, eine Wohltat, denn er stellte sich wissenschaftlich-archäologisch dumm. Er sagte, um alles richtig erklären zu können, müßte er Archäologie und Kunstgeschichte studieren, worauf er aber offenbar keine Lust hatte. So erklärte er seinen Besitz metaphysisch-mystisch. Mir war beispielsweise nie aufgefallen, daß die Madonnenbilder Maria immer von halbrechts zeigten, er hatte nur solche, die sie ausnahmsweise von halblinks zeigten. Seine klerikale Silbersammlung, Möbel und Gemälde aus frühen kolonialen Zeiten waren wirklich erlesen. Klar, in seinem Haus hatte er nicht endlos Platz, so daß er nur die besten Stücke seiner Sammlung einverleibt hatte. Gleiches galt auch für seinen Besitz früher Indianerkulturen. Obwohl ich inzwischen eine ganze Menge Keramiken gesehen hatte, fand ich seine Artefakte beeindruckend. Dazu redete er von der Kraft des Geistes, die gegen die Energie der Erde stünde.

Ein wenig mußte sich Herr Poli jedoch schon mit den wissenschaftlichen Hintergründen beschäftigt haben, denn er kannte die Lebensweise in den präkolumbischen Kulturen, was deswegen erforderlich war, damit er die Bedeutung seiner Votivdarstellungen erfassen konnte. Dabei kam er auch auf lange Haare zu sprechen, die Kraft symbolisierten. Weil er sein Sprachniveau erheblich höher war, als das, was ich von der Straße her gewöhnt war, mußte ich mich ziemlich anstrengen, um seine Erläuterungen zu verstehen. Offenbar sah er mir meine Konzentriertheit an, denn er fragte, ob ich alles verstehen würde. Ich antwortete ihm, daß bei den alten Germanen lange Haare ebenfalls ein Symbol für Kraft gewesen waren. Der Wahrheit halber muß ich jedoch einräumen, daß ich etwa fünfundachtzig Prozent seiner Rede verstanden habe, und nicht hundert. Es gibt wohl einen Reiseveranstalter, der Touren durch das Museum mit einer englischen Übersetzung anbietet, denn eine Reiseleiterin, die Herr Poli scheinbar gut kannte, übersetzte während der ganzen Zeit für ein paar US-Amerikaner, die an der Führung teilnahmen. Für mich war diese Privatsammlung ein Höhepunkt, nach den vielen Museen vorher, der den perfekten Abschluß für Lima bildete.

Ich lief die zwei Kilometer ins Zentrum von Miraflores, wo ich überraschend preiswert in einer Pizzeria aß, die ich nach einigen Umherlaufen in den noblen Stadtviertel zufällig fand. Nachher bin ich zum Parque del Amor an dem Costa Verde genannten Strandabschnitt spaziert. Warum diese Küste grün heißt, konnte ich zwar in den gepflegten Parkanlagen nachvollziehen, aber nicht an der zirka siebzig Meter hohen Steilwand, die zu einer direkt am Meer verlaufenden Hauptverkehrsstraße führte. In dem schönen Park der Liebe kam es mir tatsächlich so vor, als wäre ich der einzige Single, der hier herumlief. Der direkt danebenliegende Parque Raimondi dagegen schien mir eher der Ort, wo die Bewohner der umliegenden Häuser ihre Hunde ausführten. Nach einem Bier im Stehen, suchte ich mir ein Taxi zurück zum Hotel, wo ich den Rest des Abends mit den Vorbereitungen für die vor mir liegende Etappe verbrachte.



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