Tagebuch
42. An die grenze
Yangana
Da ich mich am Vorabend rechtzeitig verabschiedet hatte und ich um halb acht eine tienda zum Frühstücken fand, bin ich um acht losgekommen. Für die sechs Kilometer bis zum nächsten Tal brauchte ich eine Stunde, weil der Weg recht steil war. Der Weg ins darauf folgende Tal nach Yangana war genauso weit, ich war aber doppelt so schnell. Auch ging der Weg hier nur etwa vier Kilometer bergab und der Höhenverlust war nicht so groß, wie vorher. Ich schätzte, daß ich etwa zweitausend Meter hoch war. An der Straße fand ich zuerst die Sandsteine und dann, in den höheren Lagen, Glimmerschiefer anstehend, die kurz vor Yangana schön gefaltet waren. Damit setzte sich die Sequenz, die ich hinter Loja beobachtet hatte, fort.
Meist waren Weiden und Felder an den steilen Hängen entlang der Straße, selten nur Bäume. Gute Panoramablicke genoß ich von den Graten, Höhenrücken und Pässen. Mit Pausen war ich gut dreieinhalb Stunden unterwegs, weil der Weg zeitweise recht steil war. Kurz vor Mittag kam ich in Yangana an und bin in das einzig gekennzeichnete Restaurant, rechts vom Platz. Später erfuhr ich, daß es unten am Platz ein weiteres, ungekennzeichnetes gab.
Hier habe ich mich mit den Einheimischen über den anstehenden Weg unterhalten. Der Paß, der etwa tausend Höhenmeter über dem Ort liegt, soll ständig in Regen und Nebel liegen. Und der Weg sei nicht durchgehend geteert. Dahinter versprach man mir, daß es bergab ginge, aber bei den bisher erlebten Straßen, hielt ich das für ein Gerücht von Auto- beziehungsweise Busbenutzern.
Nachdem ich eher mäßig gegessen hatte, und mir die Erzählungen der Einheimischen durch den Kopf hatte gehen lassen, beschloß ich, dem Paß einen ganzen Tag zu widmen. Eine weise Entscheidung, wie ich am nächsten Tag feststellen sollte. Die Wirtin nahm’s dankbar zur Kenntnis und wies mir in ihrer Pension ein Zimmer an. Obwohl ich den Eindruck hatte, daß es wohl noch eins der besseren Zimmer war, zeichnete es sich durch Einfachheit aus, die eher Kargheit war. Und richtig sauber war auch anders. Das Gemeinschaftsbad war allerdings unzumutbar dreckig. Und laut war es hier ständig, aber ich hatte Ohrstöpsel.
Nach der Siesta habe ich mir den Ort angesehen, soweit man hoffen kann, bei ein paar hundert Einwohnern etwas Interessantes zu finden. Der begrünte Teil des Dorfplatzes vor der etwas überdimensionierten Kirche ist ganz ansehnlich, der andere Teil war ein Bolzplatz, der großen Zuspruch fand. Eher sauer aufgestoßen ist mir das Bierkartell, das ich vorfinden mußte. Es kostet nicht, wie üblich sechzig, sondern achtzig Cent. Der Grund dafür liegt in der Nähe zu Peru, wo das Bier erheblich teurer ist.
Im Restaurant studierte ich den Peru-Führer, bevor ich zu Abend aß. Anschließend habe ich einen kleinen Spaziergang durch das Dorf gemacht. Die Nacht hatte Wolkenlöcher und infolgedessen war der südliche Sternenhimmel schön zu sehen gewesen. Bei meiner Rückkehr sah ich einen Bus, der offenbar auf dem Weg nach Zumba war. Die Fahrgäste haben sich in dem Restaurant verpflegt, bevor sie weiterfuhren.
Über den Paß
Immerhin bin ich trotz eines schlechten Frühstücks in einer tienda, wo ich auch die nötigen Vorräte für die Etappe durch das unbewohnte Gebiet um den Paß gekauft habe, um Viertel acht losgekommen.
Die Fahrt war anfangs deswegen so beschwerlich, weil sich immer wieder Schluchten in den Berg gegraben hatten, die ich durchfahren mußte. Zuerst ging’s auf dem bekannten Schotterweg sechs Kilometer bergauf im Gegenwind. Dann vier Kilometer bergab und wieder sechs Kilometer bergauf. Kurz vor diesem Aufstieg mußte ich den Schlauch des Hinterreifens wechseln. Anschließend führte der Weg drei Kilometer bergab und noch mal sechs Kilometer bergauf. Kurz, bevor ich diese Zwischenhöhe erreichte, setzte ich mich auf einen Stein am Straßenrand, um zu vespern.
Nach drei Kilometern bergab, noch mal zwei bergauf, obwohl ich vorher schon geglaubt hatte, ich hätte es geschafft. Auf diesem Streckenabschnitt habe ich die Gelegenheit genutzt, um die Wasserflasche an einen klaren Gebirgsbach zu füllen. Weiter unten wäre mir das Verschmutzungsrisiko zu groß gewesen, auch, wenn die Einheimischen was anderes behauptet haben. Auf diesem Streckenabschnitt konnte ich ein letztes Mal den Blick zurück auf die durchquerten Täler und Höhenrücken werfen. Dabei stellte ich fest, daß ich mit meiner Leistung ganz zufrieden sein konnte. Daß es einen Geschwindigkeitsrekord geben würde, war angesichts der Straßenverhältnisse und meinem Gepäck nicht zu erwarten gewesen.
Ziemlich erschöpft erreichte ich die Passhöhe, wo die Straße etwa einen Kilometer recht eben verlief. Die genaue Höhe des Passes ließ sich nirgends ermitteln, aber es waren wohl um die dreitausendzweihundert Meter. Hier befand ich mich in den Wolken, so daß ich kaum über die Krüppelvegetation am Straßenrand hinaussehen konnte. Außerdem regnete es gelegentlich, so daß ich zusah, diese ungemütlich kühle Region zu verlassen. Sechzehn Kilometer bergab nach Valladolid und noch mal sechzehn bevor’s vor Palanda noch mal vier Kilometer bergauf ging.
Die Straßenverhältnisse verschlechterten sich südlich des Passes kräftig und der Niederschlag sorgte stellenweise für recht tiefen Schlamm, der die Abfahrt nicht unbedingt angenehm gestaltete. Hinzu kamen vier völlig ungesicherte Bachübergänge. Das Wasser lief einfach über den Schotterweg und ich mußte erst herausfinden, daß man sie am besten mit viel Schwung durchquert, was auch kein Problem ist, solange das Wasser weniger als knietief und einigermaßen klar ist. Die hier gemachten Erfahrungen sollten in Südperu geradezu überlebenswichtig werden. Ich hatte zwar das Glück, daß ich nie bei solchen Flussübergängen auf Verkehr getroffen bin, aber jedes Mal, wenn eines der wenigen Autos an mir vorbeifuhr, mußte ich bereits in Vorfeld die Geschwindigkeit so timen, daß ich nicht gerade neben einer der häufigen Pfützen fuhr, denn keiner der Fahrer schien an die Konsequenzen für mich zu denken. So brachte ich es auf schlammigen Teilstücken durchaus fertig, den überholenden Verkehr so abzublocken, daß er erst dann überholen konnte, wenn keine Pfützen da waren.
Auf der Südseite des Passes hatten sich Flora und Fauna drastisch verändert. Wenn der Wald vorher einigermaßen mit ungepflegtem europäischen Laubwald mit dichtem Unterholz vergleichbar war, so fuhr ich nun durch exotischen Nebelwald, in dem seltsame Tiere, wohl meist Vögel schrieen, die es auf der anderen Seite nicht gegeben hatte. Auf einigen Kilometern befand ich mich, wie ein Hinweisschild sagte, im Nationalpark Podocarpus. Geologisch fand ich, soweit der dichte Pflanzenwuchs überhaupt einen Blick auf das Anstehende gestattete, hauptsächlich die Schiefer, aber diesmal mit Kalkeinschaltungen. Häufig war aber auch alles mit Moos und Flechten überwachsen.
Eine ätzend harte und lange Etappe. Das lag auch mit daran, daß mir in Valladolid nichts gefallen hat, so daß ich nach einem Bier wieder weitergefahren bin, obwohl ich das Restaurant eigentlich zum Essen aufgesucht hatte. Aber ein Blick in die Küche verdarb mir den Appetit. Außerdem hatte ich die Hoffnung, daß es nur vierzehn Kilometer bergab seien, bis Palanda. Es waren aber zwanzig und dazu der erwähnte Aufstieg vor dem Ort.
Palanda
In Palanda war ich, als ich mir am ersten Kiosk eine Stärkung gönnte, mal wieder, Hauptattraktion im Dorf, mit bestimmt zwei Dutzend Schaulustigen. Da die Leute aber nett und hilfreich waren, bin ich gerne bei ihnen gestanden. Dadurch erhielt ich wichtige lokale Informationen über „Hotels“ und „Restaurants“. Es gab mehrere Restaurants und zwei Hotels, aber ohne Bad und ziemlich primitiv. Ich habe mir beide angesehen und dem Wirt Beine gemacht, das Zimmer in einen bewohnbaren Zustand zu bringen. Zuerst war mir das Zimmer so schlecht erschienen, daß ich sagte, ich würde mir noch die andere Alternative ansehen und nur zurückkehren, wenn diese nicht besser sei. Außerdem half mir das bei der Preisgestaltung. Zwei Dollar erschienen mir aber angesichts des Zimmers immer noch reichlich viel.
Rodi, ein Mittzwanziger, der irgendwie zum Haus zu gehören schien, hat mich zum Essen begleitet, aber wie ich es schon häufiger erlebt hatte, war ihm das Verwandtschaftsverhältnis zum Wirt wichtiger, als die Qualität des Essens. Da die Portion noch dazu ziemlich mickrig war, bin ich in ein anderes Restaurant, um noch mal zu essen. Dahin wollte er aber nicht mitgehen, seiner Verwandten wegen.
Später unterstützte er mich jedoch wieder, als ich einige dringende Wartungsarbeiten am Fahrrad vornehmen mußte. Nach dem Bremszugwechsel in Vilcabamba, war hier das Wechseln einer gebrochenen Speiche fällig, der Hinterreifenschlauch mußte auch getauscht werden. Schutzblechbefestigung vorne und Ölen der Kette; ich war bis halb elf beschäftigt.
Rodi wollte verständlicherweise nach Deutschland, um da was zu arbeiten. Er behauptete, zweitausend Dollar zu besitzen. Leider mußte ich ihm sagen, daß er damit nicht sehr weit käme, möglicherweise noch nicht mal weit genug, um die Zeit bis zur Bearbeitung des Einreiseantrags zu überleben. Außerdem ließ ich ihn wissen, daß es grundsätzlich schwer sei, eine Aufenthaltsgenehmigung zu kriegen – und ein ecuadorianisches Abitur, das ich ihm durchaus abnahm, reicht kaum als herausragende Qualifikation –, daß es Rassismus gibt; und die Leute den Hals von Wirtschaftsflüchtlingen voll haben, weil die Kassen nicht mehr so voll sind, wie vor fünfzehn oder zwanzig Jahren. Ich fühlte mich nicht sehr wohl dabei, aber ich wußte daß der ernsthaft unternommene Versuch für ihn erheblich frustrierender gewesen wäre, als meine Ausführungen. Wie in solchen Fällen üblich, kostete es mich auch diesmal den Gesprächspartner, und ich mußte die Radwartung alleine beenden. Am nächsten Morgen hat er sich allerdings mit Handschlag und einem ehrlichen Lächeln von mir verabschiedet.
Weil es am Vorabend spät geworden war, und ich den Wecker nicht gestellt hatte, weckte mich das Gepolter des Pensionswirts. Bis ich, auch weil ich kein adäquates Frühstück gefunden habe, endlich losfahren konnte, wurde es halb neun. Bedingt durch eine Baustelle fand ich den richtigen Ortsausgang auch noch verspätet.
Schlammpiste
Die ersten fünfzehn Kilometer ging’s auf miserabler Straße gut bergan. Die nächsten fünfundzwanzig Kilometer im Zwei- bis Fünf-Kilometer-Rhythmus bergauf und bergab waren ebenfalls eine Plage. Die Steigung vor Canada, wo’s kein Bier gab, weil man dazu zu arm war, ist unglaublich hart! Es war so steil, daß ich, als einen Moment mit den Füßen am Boden war, fast nicht mehr hätte anfahren können. Aber im darauffolgenden Kaff, konnte ich mit Bier und Dosenthunfisch und Salzkeksen Mittag machen. Zwischenzeitlich brauchte ich zusätzlich Energieriegel.
Ich fuhr meistens durch Wald, der aber nichts mit dem Dschungel am Paß des Vortags zu tun hatte. An der Strecke, die wieder fünf ungesicherte Flußübergänge aufwies, fand ich hochmetamorphe Sandsteine, die sehr rot waren, anstehend. Dazu, ebenfalls ziemlich metamorphe Granitkörper. Wenig Kalke und, leider nicht oft anstehend, ein dunkelgrüner und ein glänzendschwarzer Magmatit. Am Ende der von kleinen Schluchten geprägten Strecke, glaubte ich mich schon am Ziel, als auf dem Bergrücken ein Dorf sah.
Aber die Straße setzte ich weiter fort und während ich sechs Kilometer bergab ins Tal fuhr, sah ich bereits den genauso langen Aufstieg auf der anderen Seite des Flusses. Das war bei meinem Erschöpfungsgrad, psychologisch gesehen, nicht sehr günstig. Als ich mit heißen Bremsen unten im Tal am Fluß war, sah ich eine Gruppe junger US-Amerikaner, die sich mit Booten darin vergnügten.
Der immer schwerer werdenden Anstieg entwickelte sich durch die Länge meines Tages und durch die Sonne, die den ganzen Tag glücklicherweise hinter dichten Wolken gehalten hatte, nun aber erbarmungslos brannte, zusehends zum Prüfstein meines Willens, weil die Muskeln eigentlich längst keine Kraft mehr hatten. Ein vorbeifahrender Kleinlaster hielt an und der Ecuadorianer, der mit seiner Familie unterwegs war, sprach mir Mut zu, es sei nicht mehr weit.
Zumba
Irgendwie schaffte ich es bis zum Gipfelgrat. Ab hier waren die letzten gut drei Kilometer wieder von Auf und Ab bis zur Bergabeinfahrt nach Zumba geprägt. Als ich gegen halb sechs am Ortseingang war, kontrollierten mich einige Polizisten oberflächlich – ich war inzwischen in der Grenzregion. Ich nutzte die Gelegenheit, sie nach dem besten Weg zur Ortsmitte zu fragen, denn beim Downhillen vorher hatte ich gesehen, daß Zumba offenbar doch nicht so klein war. Hier lebten sicher über zehntausend Menschen.
Einer der Amis, die mich in ihrem Kleinlaster mit den Booten überholt hatten, sah mich und schrie, ich hätte es geschafft. Ich ignorierte ihn, einerseits weil mir die Kraft fehlte und andererseits, weil ich keinen Bock darauf hatte, Englisch zu reden. Statt dessen fuhr ich etwas weiter in eine tienda. Ich nutzte die Gelegenheit mich über die Übernachtungsmöglichkeiten zu informieren, wozu sich der etwa achtjährige Junge, der mich bediente allerdings nicht eignete. Erst, als sein Vater hinzukam, erhielt ich einige brauchbare Informationen.
Der erste Versuch mit dem Hotel scheiterte und auch das zweite hatte kein eigenes Bad, wie üblich hinter Vilcabamba. Allerdings versicherte man mir, daß ich der einzige Gast auf diesem Stockwerk sei und daher das Bad für mich alleine hätte. In der Nacht scheint aber doch noch ein Gast gekommen zu sein. Außerdem war es ätzend und schmutzig. Nach der kalten Dusche suchte ich mir ein Restaurant zum Essen. Ich hatte vier Hotels und fünf Restaurants gesehen, es mag aber noch mehr geben. Trotz der touristischen Ausprägung Zumbas gefiel mir der Ort recht gut.
Die dralle Wirtstochter im Restaurant versuchte, mich auszufragen und ich sagte, ich sei mit dem Fahrrad hier, was sie mir offenbar aber nicht glaubte. Außerdem setzte sie hinzu, daß dies nichts besonderes sei, weil hier viele Fahrradfahrer vorbeikämen. Daß dies nicht stimmte, habe ich mir vorher und nachher öfter bestätigen lassen. So verzichtete ich darauf, ihr zu sagen, daß ich hier die beste Knochenbrühe seit Cartagena gegessen hatte.
Anschließend bin ich in die tienda gegangen, in der ich bei meiner Ankunft gewesen war und habe mit dem gleich alten Besitzer geplaudert. So erfuhr ich, daß es kurz hinter der Grenze eine Übernachtungsmöglichkeit gibt – gut fünfzig Kilometer vor San Ignacio.
Zur Grenze
Nach dem Frühstück fuhr ich auf der Straße, die den Namen nicht verdient, zuerst vier Kilometer bergab, bevor die schlammige Piste fünf Kilometer bergauf führte. Auf der drei Kilometer langen Abfahrt, in El Chorro pausierte ich und redete auf der Veranda einer tienda, auf der Stühle und ein Tisch standen, mit einigen Einheimischen, die mir eine Flasche Wasser spendierten. Der folgende Anstieg von sieben Kilometern führte mich wieder in die Regionen von Regen und Nebel. Hinzu kam immer wieder Gegenwind, was meinen Schnitt weiter drückte.
Dabei stieß ich auf einen Militärposten. Der Fallschirmjäger, der aus der Hütte kam, entschuldigte sich fast dafür, daß mich kontrollieren und meinen Paß registrieren mußte. Entsprechend lustlos warf er auch nur einen kurzen Blick in meine Satteltaschen. Er war eher neugierig, als daß er wirklich dienstlich nachfragte, woher ich kam. Zum Abschied gab er mir die Hand und wünschte mir eine gute Fahrt.
Es ging zuerst einige Kilometer über einen Grat, von dem aus ich einen guten Rundblick über die bergige Landschaft genießen konnte. Kurz, nachdem endlich die acht Kilometer lange Abfahrt begonnen hatte, kam der nächste Militärposten. Das gemauerte Haus oberhalb des Kontrollunterstands trug das Motto der Fallschirmjägereinheit: siempre listo. Allzeit bereit. Der Wachhabende war aber nicht in dem Unterstand, sondern oben vor dem Steinhaus und machte Mittag. Ich fragte ihn, wo die Grenzformalitäten erledigt würden und er wollte wissen, ob der Soldat am ersten Kontrollpunkt meinen Paß registriert hatte. Den Ausreisestempel gäbe es im Tal, das ich bei dem äußerst unebenen Gelände nicht sehen konnte. Außerdem hatte ich schon so viele Täler durchquert, daß ich befürchtete, daß es dem Soldaten auf eins mehr oder weniger nicht mehr ankäme. Aber diese Abfahrt war tatsächlich die letzte in Ecuador.
Um die Dörfer, durch die ich gefahren war, waren Felder und Weiden; Sonst herrschte Wald vor. Oben auf den Bergrücken fand ich die typische Páramo-Vegetation vor. Vor allem hier konnte ich hochmetamorphe Schiefer, Kalke und Granit sehen.
Als ich endlich in Balsa einfuhr, war es schon Mittag. Ich nahm an der ersten und wohl auch einzigen tienda des Ortes, der nur ein paar hundert Einwohner hatte, ein Abschiedsbier. Deswegen eine richtige Entscheidung, weil das Bier auf der anderen Seite der Grenze erheblich teurer war. In dem Laden saß unter anderem ein großer weißhaariger Mann, der offenbar das Wort führte. Er verwies mich an den Grenzbeamten auf dieser Seite der Grenze, um mir den Stempel zu holen, den ich zu Ausreise brauchte.
Man hatte mir immer etwas von einer Brücke erzählt, an der ich den Ausreisestempel erhalten sollte. Die gab es aber hier gar nicht. Da machte ich mir klar, warum der Ort hieß, wie er hieß. Balsa bedeutet Floß. Und genau so eins erwartete mich zur Überfahrt nach den ziemlich formlosen und daher schnellen Grenzformalitäten. Nachdem ich mich mit dem Flößer über den Preis geeinigt hatte – und mir jeder, auf beiden Seiten der Grenze, bestätigt hatte, daß es ein guter Preis sei – hangelte er sein Floß an einem quer über den fünfundzwanzig bis dreißig Meter breiten Fluß gespannten Seil entlang nach Peru.