Stefan K. Beck, Privatgelehrter und Projektemacher

Unabhängigkeit

Kapitel 6.b. Ecuador: die endgültige Zerschlagung der Patrioten

Mitte Februar beschloß die Junta eine Verfassung für den Staat Quito und berief einen Kongreß der Volksvertreter ein. Diese Maßnahmen erzeugten bei der Bevölkerung ein Gefühl von Sicherheit und endgültiger Loslösung vom Kolonialsystem. Hinzu kam die Enteignung von Spaniern und die Eröffnung von Prozessen gegen sie. Einige Mischlinge, die besonders unter der spanischen Herrschaft gelitten hatten, rotteten sich in den Straßen Quitos zusammen und nahmen die Gerechtigkeit selbst in die Hand. Einige der Repräsentanten der kolonialen Unterdrückung wurden dabei getötet. Der Zorn gegen den Grafen Ruiz de Castilia, der neben seinen hier beschrieben Taten dreißig Jahre vorher das Exekutionskommando für Tupac Amaru II. und seine Familie in Cusco geleitet hatte, wurde von Messerstichen so schwer verletzt, daß er Tage später an den Folgen starb.

Wie trügerisch das Sicherheitsgefühl der Quiteños war, zeigte sich im Juni, als Melchior Aymerich wegen der Ereignisse Ende Februar in Quito einen erneuten Feldzug von Cuenca nach Norden führte. Die Junta von Quito hatte eine Truppe ausgeschickt, die den Feldzug nur 25 Kilometer nördlich von Cuenca zum Stehen brachte. Aber die Verstärkungen waren bereits auf dem Weg.

Toribio Montes, den der Regentschaftsrat bereits im April zum Präsidenten des Königlichen Gerichtshofs in Quito ernannt hatte, hatte in Peru eine Truppe organisiert, die er in Guayaquil verstärkte und mit ihr den Feldzug begann, der das Ende des Staates Quito zur Folge haben würde. Mit den Truppen von Aymerich stieß er ab Ende Juli auf Quito vor. Angesichts der neuerlichen Bedrohung aus dem Süden, hatte Carlos Montufar eine Truppe nach Süden geführt, mit der er sich ab Mitte August den Royalisten entgegenstellte. Der Bischof Juan Caicedo y Quero hatte bei Ambato ein Indianerheer aufgestellt, das Montufar, der Montes nicht aufzuhalten vermochte, unterstützen sollte. Am 02. September vernichtete der Gerichtspräsident das vereinigte Heer von Quito bei Mocha.

Die militärischen Niederlagen, die das Ende des Staates Quito anzeigten, sorgten in den Reihen der Patrioten Streit, weil der Montufar-Clan die Junta dominierte und sich daraus Sonderrechte ableitete. So berechtigt die Vorwürfe waren, angesichts der vorrückenden Spanier schwächte sich die Regierung selbst und erleichterte Montes den Vormarsch. Eine letzte Möglichkeit die Königstreuen vom Marsch auf die Hauptstadt abzuhalten, vergab Carlos Montufar im Oktober nahe Latacunga. Während Montes einen Teil seiner Truppen danach Richtung Popayan in Neugranada schickte, die am 03. November die Stadt einnahmen, führte Aymerich die restlichen Soldaten langsam auf Quito. Montes muß aber die Schlacht am Panecillo, einem Hügel im Süden Quitos, am 07. selbst befehligt haben. Auch mit der aktiven Unterstützung ihrer Frauen, gelang es den Patrioten nicht, die Niederlage abzuwenden.

Die Patrioten flohen, als Montes und seine Soldaten Quito einnahmen. Nachdem sich die Spanier in der Hauptstadt eingerichtet hatten verfolgten sie die Flüchtenden, die sie am 27. bei Ibarra stellten. Trotz ihrer erneuten Niederlage blieben immer noch einige Patrioten, die Aymerich am Yawarcochasee in Ibarra am 02. Dezember vernichtete. Diesmal ließ er niemanden mehr entkommen. Carlos Montufar geriet in Gefangenschaft, wurde aber auf Ehrenwort freigelassen. Er setzte sich nach Neugranada ab. Den anderen Überlebenden wurde der Prozeß gemacht. Während zu Beginn des folgenden Jahres die Hinrichtungen in Quito erfolgten (wobei wieder Leichenteile für 10 Jahre, bis zur endgültigen Befreiung, ausgestellt wurden), starb Juan Pio Montufar 1818 im Kerker im spanischen Cadiz. Montes schickte den Bischof Cuero y Caicedo nach Lima, wo er bis zu seinem Tod in Klausur lebte. Die, die überlebt hatten, mußten, wie der gesamte Gerichtsbezirk auf Ferdinand VII. und Spanien schwören. Unter dem Regime von Montes gab es keine weiteren Aufstände mehr, und erst als die Truppen Bolivars zehn Jahre später Aymerich besiegten, kehrte die Unabhängigkeit endgültig zurück.



Fortsetzung: Kap. 6.c. Oberperu: Royalistischer Vorstoß nach La Plata



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