Stefan K. Beck, Privatgelehrter und Projektemacher

Unabhängigkeit

Kapitel 4. 1810: Flächenbrand in Spanisch-Amerika

Außer in Peru, wo der Vizekönig Abascal die Lage fest im Griff hatte, konnten die Patrioten in diesem Jahr 1810 überall die erfolgreiche Errichtung von Regierungsjuntas vermelden. Formale Unabhängigkeitserklärungen blieben jedoch aus. In Oberperu sorgten die Argentinier, die in der ersten Jahreshälfte ihre Selbstbestimmtheit erreichten, in der zweiten mit einem Expeditionsheer dafür, daß die Patrioten dort das Land vollständig unter ihre Kontrolle bringen konnten.

In Quito war das Auftreten der Kolonialmacht derart brutal, daß sich die Bevölkerung gegen sie erhob, und sie das Land verlassen mußte, um nicht die Hauptstadt und das Umland vollständig verwüsten zu müssen.

In Peru konnte Abascal alle Verschwörungen aufdecken und ohne Mühe beenden; das gab ihm Gelegenheit, sich um Ecuador und Oberperu zu kümmern, wovon er weidlich Gebrauch machte.

Venezuela, wo es im vergangenen Jahr zwar weiter gegärt hatte, aber die Patrioten keine durchschlagenden Aktionen zustande gebracht hatten, nutzte die Anwesenheit der vom spanischen Regentschaftsrat entsandten Regionalkommissare, die Errichtung von Juntas einleiten sollten, zu einem umfassenden Staatsstreich in Caracas, dem sich später weite Teile des Landes anschlossen.

Die zögerliche Haltung von Patrioten und Royalisten in Neugranada sorgte dafür, daß erst in der zweiten Hälfte des Jahres der Vizekönig elegant entsorgt wurde, während die Separatisten in einzelnen Provinzen schon vorher aktiv geworden waren. Weil jedoch, wie in Venezuela und Ecuador, nicht alle Regionen der Unabhängigkeit zuneigten, und vor allem, weil die Meinungsunterschiede innerhalb der Patrioten den Keim des Bürgerkriegs in sich trugen, blieb die Erste Republik bis zu ihrem Ende zersplittert. Dies hatte auch für die Nachbarländer weitreichende Konsequenzen.



Fortsetzung: Kap. 4.a. Venezuela: Von Caracas in die Provinzen



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