Stefan K. Beck, Privatgelehrter und Projektemacher

Unabhängigkeit

Kapitel 14.a. Neugranada: Rückeroberung durch die Patrioten


Der Sieg Simon Bolivars im vergangenen August an der Brücke von Boyaca, hatte zwar die 3. Division des Expeditionsheers der Spanier vernichtet (auch, wenn die Spanier dies anders sahen), aber weite Teile des Landes standen trotz der von Bolivar koordinierten Befreiung immer noch unter der Kontrolle der Kolonialmacht. Daher wurden weitere Feldzüge ausgerichtet, die die Royalisten gänzlich besiegen sollten.

Neben der Nordküste, die wegen der an der Grenze zu Venezuela stehenden spanischen Truppen, bislang noch ausgespart werden mußte, war der Süden mit seinem großen Nachschubpotential aus Ecuador, die größte Gefahr für die Republik. Sebastian de la Calzada hatte Popayan im vergangenen Jahr aufgeben müssen, aber mit den Verstärkungen aus Pasto, Ecuador und Peru kehrte er am Jahresanfang mit einem großen Heer in die Provinzhauptstadt zurück. Antonio Obando, der die Garnison Popayans führte, war wegen der aktiven royalistischen Guerilla im Tal des Rio Patia nicht in der Lage gewesen, nachhaltig aufzuklären und so stand de la Calzada überraschend am 24. Januar vor den Toren der Stadt.

Der Widerstand der Republikaner war angesichts ihrer massiven numerischen Unterlegenheit von vorneherein zum Scheitern verurteilt. De la Calzada war für seine geplante Rückeroberung von Bogota und anderen Landesteilen auf die Unterstützung der Bevölkerung angewiesen. Diese verscherzte er sich jedoch mit Plünderungen und Hinrichtungen. Er entsandte zur Erkundung eine 300 Mann starke Abteilung Richtung Osten, auf die Ostkordillere, um einen Vorstoß über Neiva nach Bogota vorzubreiten.

Santander rüstete eine 2000 Mann starke Division unter dem Venezolaner Manuel Valdes aus, die den Eindringlingen entgegenzog. In der zweiten Märzhälfte trafen sich die verschiedenen Einheiten der Division in Neiva und zogen den in San Sebastian de la Plata liegenden Spaniern der Vorausabteilung entgegen. Die Spanier wurden am 28. besiegt und bei der Verfolgung nahezu aufgerieben. Damit waren de la Calzadas Pläne für ein weiteres Vorrücken hinfällig, da die Patrioten von Joaquin Ricaurte in Tal des Rio Cauca (s. Kap. 13.b.) zu stark waren, und der Rückeroberungsversuch von Antioquia, der sie hätte beschäftigen können, scheiterte (s.u.). Daher richtete sich der Spanier auf Verteidigung ein.

Valdes bereitete inzwischen die Überquerung der Zentralkordillere vor, um die Verteidigung von de la Calzada zu durchrechen. Ende Mai begann er seinen Marsch über den Paramo de Moras, die ihn Anfang Juni ins immer noch über 3000 Meter hoch gelegene Pityao, etwa 40 Kilometer nordöstlich von Popayan führte. De la Calzada, dessen Aufklärung ihm vom Nahen der Patrioten berichtet hatte, entsandte seinen Stellvertreter Nicolas Lopez in den frühen Morgenstunden des 06. Juni, um den Patrioten zuvorzukommen. Lopez ging zu diesem Zeitpunkt davon aus, daß er den Ort, der vom Weg aus nicht einsehbar war, noch vor den Patrioten besetzen konnte. Eine seine Vorhuten traf gegen Mittag auf einen Wachposten, den sie mit etwas Geschick hätte täuschen können. Die unflexible Haltung der Spanier verriet sie jedoch, und es kam zum Feuergefecht, das die Patrioten in ihrem Lager alarmierte. Diese rückten nun den Spaniern entgegen, die ihrerseits überrascht waren, daß die Patrioten die Überquerung der Zentralkordillere bereits bewerkstelligt hatten.

Die Niederlage der Königstreuen, die sie fast die Hälfte ihrer Soldaten kostete, bewog de la Calzada Popayan aufzugeben und sich nach Süden zurückzuziehen, womit die Provinzhauptstadt an die Republik zurückfiel. Die Region war damit für die Patrioten gesichert, aber das Tal des Patia und vor allen Pasto, blieben erst einmal unerreichbar.

Am Westabhang der Ostkordillere, in Ocaña, hatte es zwar eine patriotische Guerilla gegeben, aber die Monarchisten waren in der Überzahl und nach der Schlacht von Boyaca hatten sich 1500 Königstreue zu einer starken Guerillas zusammengeschlossen, denen Bolivar Francisco Carmona mit einer Division entgegenstellte. Die wohl numerisch überlegenen Truppen der Republik besetzten die Stadt am 10. März, waren aber offenbar nicht in der Lage, die Königstreuen im Umland nachhaltig zu besiegen, denn als im Juni ein Feldzug von Vicente Sanchez Lima von der Nordküste bis fast nach El Banco am Rio Magdalena führte (s.u.), der die Abkommandierung von Truppen für Jacinto Lara erforderte, der sich mit Sanchez Lima beschäftigen sollte, nutzte die royalistische Guerilla die Gelegenheit, Ocaña am 11. Juli zurückzuerobern. Der Versuch der örtlichen Patrioten, die Unterstützung aus Cucuta erhalten hatten, die Royalisten zu vertreiben, scheiterte, weil keine regulären Einheiten der Republik zur Verfügung standen, um den Angriff zu unterstützen. Erst an Jahresende kam eine Division unter Manuel Manrique, die Anfang des folgenden Jahres die königstreue Guerilla endgültig aus der Gegend verdrängte.

Im vergangen Jahr hatte José Maria Cordoba mit einer Handvoll Reiter die Kolonialbehörden von Carlos Tolra in Antioquia vertrieben und die Republik ausgerufen. Der ehemalige Vizekönig Juan Samano hatte ihm zwar den Kampf gegen die Republikaner verordnet, war aber mit seiner Flucht selbst mit schlechtem Beispiel vorangegangen und so hatte sich Tolra mit seinen nur 130 Soldaten mit der Provinzkasse aus dem Staub gemacht. Francisco Warleta, der 1816 Antioquia erobert hatte, verfügte zwar nicht über mehr Soldaten, aber er war bereit, den Anordnungen des gewesenen Vizekönigs Folge zu leisten. Mit etwa 200 am Nordabhang der Zentralkordillere operierenden royalistischen Guerilleros verstärkt, begann er Anfang 1820 den Aufstieg auf die Zentralkordillere, um die Provinz zurückzuerobern.

Cordoba hatte die Zeit genutzt, um ein Bataillon aufzustellen, das den Widerstand der Monarchisten in der Provinz endgültig brechen sollte. Er zog an den Nordrand des Gebirges, wo sich Warleta mit seiner Abteilung vom Aufstieg erholte. Etwa 70 Kilometer nördlich von Medellin kann es zu am 10. und 11. Februar zu kleinen Vorgefechten und am 12. zerschlug Cordoba die Truppe Warletas am (Rio) Chorrosblancos. Obwohl die Verluste der Spanier nicht besonders groß waren, zog sich Warleta an die Küste zurück, womit die Republik in Antioquia gesichert war.

Nach dem Ende der Regenzeit, Anfang Juni wandte sich Cordoba dem nördlichen Tiefland der Provinz zu. Seine Abteilungen besiegten die spanischen Garnisonen in den wasserreichen Gebieten südlich des Rio Magdalena und sicherten die wichtigen Zuflüsse, die dort die Hauptverkehrsadern darstellen. Auch zur Küste hin war sein Vorstoß ein Erfolg, und so konnte er am 20. Juni Mompos besetzen.

José Maria Mantilla war ab November des vergangenen Jahres auf dem Rio Magdalena gegen die Königstreuen tätig gewesen und hatte, offenbar wenig nachhaltig den Oberlauf des Flusses befreit. Im März 1820 setzten die Schiffe von Luis Brion eine 1200 Mann starke Truppe, die zur Hälfte aus irischen Söldnern bestand, unter dem Kommando von Rafael Urdanetas Stabschef Mariano Montilla an der Nordküste Kolumbiens ab, die Riohacha am 13. kampflos einnahm. Da die geflüchteten Spanier königstreue Indianer bewaffnet hatten, stieß Montilla Richtung Süden, auf Valledupar vor, um ihren Widerstand zu brechen. Offenbar konnte Montilla die indigenen Königstreuen nirgends zur Schlacht stellen, sondern wurde in kleinen Gefechten und der Wüste langsam zermürbt. Ohne Valledupar erreicht zu haben, kehrte er im Mai nach Riohacha zurück. Unweit der Stadt legte der Befehlshaber der Indianer, Vicente Sanchez Lima, den Republikanern am 25. einen Hinterhalt, der fast zum Erfolg, und damit zum Verlust Riohachas geführt hätte. Einzig das Eingreifen von Verstärkungen von der Insel Margarita, die Francis Burdett O’Connor im letzten Moment auf das Schlachtfeld brachte, verhinderte den Sieg von Sanchez Lima. Diesem blieb nur die Flucht und der anschließende Neuaufbau.

Der Großteil der Iren, die nach dem strapaziösen Feldzug nach einer Pause verlangten, desertierten, plünderten Riohacha und brannten die von dem Ulmer Nikolaus Federmann 1536 gegründete Stadt nieder. Montilla verkaufte die Iren an die Engländer, aber diese Küstenregion war damit für die nächste Zeit wertlos geworden, da hier kein Heer mehr versorgt werden konnte. Daher segelten die Republikaner nach Westen.

Santa Marta und Cartagena waren zu stark befestigt, um einen Erfolg zu versprechen, sodaß Montilla am 11. Juni an der Magdalenamündung anlandete und die Region um Barranquilla unter seine Kontrolle brachte. Er setzte seinen Weg über Land nach Westen fort und errichtete eine am Monatsende eine Belagerung um Cartagena, die über ein Jahr währen sollte.

Hermogenes Maza, der monatelang in eigener Regie Royalisten gejagt hatte, war in der ersten Jahreshälfte 1820 wieder zur Armee der Republik zurückgekehrt und hatte eine Abteilung aus Bogota an den Rio Magdalena geführt, die im Juni Magangue kampflos einnahm. Die Spanier, die nach Osten flohen, griffen am 21. Juni El Banco an und verdrängten die örtlichen Patrioten, die sich zu Maza durchschlugen. Da auch José Maria Cordoba zu diesem Zeitpunkt am Magdalena ankam, zogen sich Spanier flußabwärts zurück. In Tenerife stellte sie Maza am 25. und erbeutete ihre Schiffe. Als Cordoba kurz darauf hinzustieß, fand er Maza mit dem Stillen seiner persönlichen Rachsucht an den Königstreuen beschäftigt. Ein einziges Boot der Spanier entkam, aber Montilla brachte es auf seinem Marsch auf Cartagena fünf Tage später auf. Damit stand der Rio Magdalena erstmals seit 1816 wieder unter der Kontrolle der Republik. Maza schloß sich Montilla bei dessen Belagerung von Cartagena an, während Cordoba letzte Widerstandsnester am Fluß aushob.

Vicente Sanchez Lima hatte inzwischen seine Indianer wieder eingesammelt und stieß nun nach Südwesten vor. In Chiriguana traf er auf Carmona und Lara, die Ocaña deswegen hatten aufgeben müssen, und wurde Ende Juni erneut geschlagen. Offenbar blieb er in der Gegend, denn im Oktober wurde er von José Maria Carreño, den Bolivar zur Unterstützung der Eroberung der Nordküste abgestellt hatte, geschlagen. Sanchez Lima zog sich Richtung Norden zurück, wurde aber auf Anfang November von den nun auch von Westen vorstoßenden Truppen der Republik besiegt. Barreiros Stabschef Esteban Diaz, der der Schlacht von Boyaca entronnen war, hatte ebenfalls eine Division Indianer aufgestellt und stieß zu Sanchez Lima. In einer gemeinsamen Operation besiegten die Patrioten am 10. November an der Küste, bei La Cienaga, die beiden Indianerdivisionen entscheidend. Santa Marta kapitulierte daraufhin, und es schien so, als wäre die Küste zwischen Cartagena und Riohacha nun endgültig republikanisch.

Lediglich ganz im Osten, nahe dem royalistischen Maracaibo, und in Cartagena, existierte noch spanischer Widerstand. Und natürlich im Süden, im Tal des Rio Patia und um Pasto, herrschten zum Jahresende noch die Königstreuen.



Fortsetzung: Kap. 14.b.: Venezuela: Waffenstillstand



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