Unabhängigkeit
Kapitel 10.a. Neugranada: Die Vernichtung der Republik
Nach der Einnahme von Cartagena und der Unterwerfung der Provinz am Ende des vergangenen Jahres, befand sich die gesamte Nordküste unter spanischer Kontrolle. Mit erzwungenen Schwüren und Militärpräsenz war die Loyalität gegenüber dem Mutterland wiederhergestellt worden und die Spanier setzen erneut ihre Verwaltungsbeamten ein; zum Teil waren es dieselben, die 1810 abgesetzt worden waren. In Lauf des Jahres sollte sich dies im ganzen Land wiederholen.
Am Ende des vergangenen Jahres hatte einen Abteilung von Sebastian de la Calzada erneut eine Belagerung von Guasdualito, nur ein gutes Dutzend Kilometer nördlich der Grenze zum heutigen Departement Arauca, begonnen. Da Joaquin Ricaurte, der in Casanare den militärischen Oberbefehl hatte, erkrankte, entsandte er Miguel Guerrero, der sich mit den Spaniern unter Remigio Ramos beschäftigen sollte. Mitte Dezember konnten die Patrioten, zu denen auch José Antonio Paez gehörte, den Belagerungsring sprengen, und die Spanier zogen sich nach Süden, in die Stadt Arauca zurück. Hier wurden sie im Januar erneut besiegt. Damit war die Grenze zwischen Neugranada und Venezuela in den Llanos gesichert und Paez nutzte die Gelegenheit, mit dreihundert Reitern Richtung Norden vorzustoßen. Bis Mitte Februar befreite er die gesamte Region von Spaniern, womit er sich die Grundlage erarbeitet hatte, ab der Jahresmitte in die Region des Rio Apure vorzustoßen.
In allen anderen Landesteilen Neugranadas waren die Spanier auf dem Vormarsch. Neben den Vorstößen des spanischen Expeditionsheeres, war der Feldzug von Sebastian de la Calzada die gefährlichste Bedrohung am Jahresanfang. Der Rückzug von Francisco de Paula de Santander erleichterte es de la Calzada, die Gebiete nördlich und westlich von Pamplona, wo er sich aufgehalten hatte, zu erobern. Santander stieß mit der Vorhut von Custodio Garcia Rovira nach und belästigte die Nachhuten de la Calzadas. Aufzuhalten vermochte er ihn allerdings nicht. Garcia Rovira folgte langsamer mit dem Hauptkörper des Heeres, was de la Calzada, nachdem er Ocaña besetzt hatte, dazu veranlaßte, ihm mit den Gros seiner Truppen entgegenzuziehen. Nachdem Santander wieder zum Heer der Patrioten gestoßen war, erwarteten sie die Königstreuen etwa 45 km östlich von Bucaramanga in den Bergen oberhalb von Cachiri (Alto Cachiri).
Die Schlacht am 08. Februar, war zwar nominell ein Erfolg für die Patrioten, aber da de la Calzada kaum Verluste zu beklagen hatte, ließ Garcia Rovira, die sich kontrolliert zurückziehenden Royalisten verfolgen. Da er ihn offenbar nicht einholen konnte, machte Garcia Rovira kehrt und begab sich erneut nach Cachiri. Allerdings nicht in die guten Verteidigungsstellungen oberhalb des Ortes, sondern er blieb auf dem Paramo unweit des Dorfes. Damit war de la Calzadas Kalkül aufgegangen, der seine Truppen mit dreihundert Spaniern von Morillo aufstocken konnte. Der eigentlich dazugehörige Miguel de la Torre, traf erst später beim Heer ein.
Die Schlacht von Cachiri am 21. Februar entwickelte sich für die Patrioten zur Katastrophe, die schnell auseinanderbrachen und den Königstreuen bei der Verfolgung ein leichtes Ziel boten. Der Sieg war insofern bedeutsam, da nun die Spanier auf ihrem Weg nach Bogota kaum noch ernsthaften Widerstand befürchten mußten. In den Gebieten nördlich und östlich, übernahmen die Spanier, unterstützt von örtlichen Königstreuen die Regierungsgewalt und löschten jeglichen Widerstand der Patrioten brutal aus.
Der tiefer gelegene Norden Antioquias war bereits Ende des vergangenen Jahres an Francisco Warleta, den Pablo Morillo beauftragt hatte, gefallen und im Januar machte er sich an den Aufstieg der Zentralkordillere. Im Februar und März vernichtete er die Patrioten in zwei Schlachten und übernahm die Kontrolle über die Provinz. Im Gegensatz zu den meisten anderen Provinzen kam es hier nicht zu großangelegten Säuberungen. Die Akten der Patrioten verschwanden, als Warleta seinen Stellvertreter Vicente Sanchez Lima das Amt des Gouverneurs im Juli übertrug.
Donato Ruiz de Santacruz war dem Mittelabschnitt des Rio Magdalena gefolgt und stieß dort im März und April auf erbitterten Widerstand. Letztlich konnten die besser ausgerüsteten, besser ausgebildeten und nicht zuletzt zahlenmäßig überlegenen Spanier den Widerstand brechen. Als Riuz de Santacruz am 10. Mai nach Honda kam, hatten dort bereits die ortsansässigen Königstreuen die Patrioten bereits besiegt.
Julian Bayer, den Morillo mit der Unterwerfung der nördlichen Westküste beauftragt hatte, beschäftigte sich bis in den April hinein mit den Gemeinden um den Golf von Uraba. Als er am 19. die Mündung des Rio Atrata erreichte, stieß er auf ein Dorf von entlaufenen Sklaven. Diese hatten sich ihre Unabhängigkeit schon viel früher in heftigen Kämpfen mit den Kolonialtruppen erworden und waren daher nicht bereit, sich dem Spanier zu unterwerfen. Sie rieben das Heer von Bayer nahezu vollständig auf, und Bayer mußte ihre alten Rechte anerkennen, damit er auf freien Fuß gesetzt wurde. Mit einem neuen Heer stieß er im Mai in sein eigentliches Zielgebiet, den Choco, vor. Er besiegte die Patrioten weisungsgemäß und zum Ende des Monats war der Widerstand endgültig gebrochen.
Sebastian de la Calzada war im März auf der Ostkordillere weiter nach Süden vorgestoßen und hatte die Provinz Socorro erobert. Im April erreichte er, nun mit Miguel de la Torre, Tunja. Anfang Mai schickte die der Bundeskongreß, der nun dem letzten Präsidenten der ersten Republik, José Fernandez de Madrid unterstand, die letzten militärischen Reserven unter Manuel Roergas Serviez und seinem Stellvertreter Francisco de Paula Santander zur Flucht nach Casanare. Die Regierung floh ebenfalls, allerdings nach Süden. De la Calzada und de la Torre betraten am 06. Mai Bogotá. Serviez’ Truppe wurde am 11. knapp 50 Kilometer südöstlich, bei Caqueza, an einem Flußübergang von den Spaniern gestellt und aufgerieben. Serviez entkam mit lediglich zweihundert Mann, die beständig von spanischen Soldaten verfolgt, nach mehreren Gefechten, Anfang Juli die Vereinigung mit den Truppen von Casanare vollziehen konnten.
Im Süden hatte Juan Samano im Januar den Posten des Gouverneurs von Popayan übernommen und sein Heer aus Ecuador mit Pastusos verstärkt. Im Juni war nach er nach Norden gezogen, um sich der Süddivision der Republik zu widmen. Diese verfügte wegen Abkommandierungen in andere Landesteile nur über ein Drittel der Mannschaftsstärke, die Samano aufzubieten hatte. Trotzdem suchte er nicht die Entscheidung, sondern befestigte seine Stellung an einem Felsgrat 25 Kilometer nördlich von Popayan, der Cuchilla del Tambo.
José Maria Cabal hätte die Aufteilung seiner Division zur Guerillakriegsführung bevorzugt, aber seine Offizieren bestanden auf einem Angriff. Als die letzte Regierung der Republik aus Bogota kam, übernahm Liborio Mejia das Kommando und führte den fatalen Angriff am 29. Juni, der trotz anfänglicher Erfolge, durch das eingreifen der Guerilla aus dem Tal des Rio Patia zur Katastrophe wurde. Die Überlebenden, die entkommen konnten, vereinigten sich mit anderen Resten von zerschlagenen Truppen aus allen Landesteilen und wurden am 10.Juli bei (San Sebastian de) La Plata im heutigen Huila, von Carlos Tolra endgültig vernichtet.
Mit dieser Niederlage, bei der auch die Regierung gefangengenommen wurde, hörte die Republik auf zu existieren. Lediglich der Präsident Fernandez de Madrid sollte nach Spanien überführt werden, alle anderen wurden hingerichtet. Dieser sich über Monate hinziehenden Prozedur fielen 7000 Patrioten, fast alle hier erwähnten, zum Opfer. Die Zahl der ohne Prozeß von lokalen Königstreuen ermordeten Verfechter der Unabhängigkeit ist nicht bekannt, dürfte aber wesentlich höher sein. Fernandez de Madrid entkam in der Karibik, als sein Schiff im Sturm sank.
Aber nicht ganz Neugranada hatten die Spanier unterwerfen können, denn an einigen unzugänglichen Landesteilen und vor allem in den weiten Ebenen von Casanare lebte die Republik fort. Die Patrioten, die sich im Landesinneren versteckt hielten, waren in ihren Möglichkeiten sehr begrenzt, aber in den Llanos, mußten auch die Spanier zugeben, gab es weiterhin eine autonome Provinz.
Von Casanare aus hatte Paez im Juni einen kurzen Feldzug nach Venezuela geführt, der letztlich nur den grenznahen Bereich um Guasdualito sicherte. Die Spanier die Serviez mit den letzten regulären Truppen der Republik verfolgt hatten, teilten sich, nachdem Serviez sich dem inzwischen ebenfalls hier operierenden Rafael Urdaneta hatte zusammentun können. Während ein Teil die erfolglose Jagd auf die Patrioten in Casanare fortsetzte, zog Miguel de la Torre nach Osten, da in Ostvenezuela die Truppen von José Tadeo Monagas weiterhin für Unruhe sorgten.
Mitte Juli traten in den Reihen der Patrioten von Casanare Unstimmigkeiten über die Führung ihrer Truppen auf. Juan Nepomucemo Moreno war zwar als Provinzgouverneur anerkannt, aber die Venezolaner Urdaneta und Miguel Valdez, der über das größte Truppenkontingent verfügte, und die neugrenadiner Guerillaführer Ramon Nonato Perez und Ignacio Mariño, waren nicht davon begeistert, daß der Ranghöchste mit Serviez Franzose war. So bot sich für sie der ohne Truppen angekommene Santander als Oberbefehlshaber an, der sich nur widerstrebend zum Oberbefehlshaber wählen ließ. Die, wie in Venezuela, recht rauhen Llaneros, die einen Gutteil der Soldaten ausmachten, waren mit den Mitteln des Juristen Santander kaum zu bändigen, und so trat er nach zwei Monaten zurück. Sein Nachfolger Paez war allerdings nur Oberstleutnant, was bei den höherrangigen Befehlshabern der verschiedenen Einheiten nicht gerade Begeisterung auslöste.
Während die Spanier vergeblich versuchten, die abtrünnige Provinz zu erobern, führte Paez ab Oktober einen Feldzug nach Venezuela. Ihm gelang die Einnahme von San Fernando de Apure, aber während der Schlacht von El Yagual, etwa 100 Kilometer südwestlich von San Fernando, vom 08. bis 11. Oktober, gerieten die Auffassungsunterschiede, wie die Schlacht geführt werden sollte, zum handfesten Streit. Paez ließ wegen des heftig ausgetragenen Streits nach seinem Sieg Valdez und Serviez ermorden. Das Militärtribunal, das die Vorfälle untersuchte, verdächtigte jedoch lediglich den Adjutanten von Paez, Pedro Camejo, den jedoch die Aussage des 17-jährigen Leutnants José Maria Cordoba entlastete. Urdaneta trennte sich von Paez, und zog auf die Venezolanischen Anden zu, wo er im Dezember geschlagen wurde. Er schlug sich danach nach Osten durch, wo er Bolivar vermutete. Auch die Patrioten aus Casanare gingen fürderhin eigene Wege. Santander schloß sich Bolivar im folgenden Jahr an.
Paez setzte derweil seinen Feldzug unbeeindruckt fort. Er besiegte die Spanier westlich und nahe San Fernando mehrfach, aber da sie, im Gegensatz zu ihm, über ein funktionierendes System für Verstärkungen verfügten, mußte er sich im Dezember nach Westen zurückziehen, um weitere Truppen zu werben. Salvador Gorrim lauerte ihn nordöstlich von Guasdualito am 18. auf, aber er entging der Falle und konnte zu Beginn des nächsten Jahres eine neue Truppe präsentieren, die den Kampf fortsetzte.
Fortsetzung: Kap. 10.b. Oberperu: die Zerschlagung des Widerstands