Stefan K. Beck, Privatgelehrter und Projektemacher

Tagebuch

58. Provinz Huancavelica

Zugfahrt

Vielleicht bin ich am Vorabend zu früh ins Bett gegangen, vielleicht hätte ich nicht auf den Schlummertrunk verzichten sollen, wie auch immer, ich schlief schlecht. Ich schaffte es gerade noch, mir in der Bäckerei ein Frühstück mitzunehmen und zum Bahnhof zu fahren. Am Fahrkartenschalter wollte man anfangs das Fahrrad nicht mitnehmen, da erst der Mittagszug über einen Gepäckwagen verfüge. Schließlich, auch weil ich nicht locker lies, kam ein Gepäckangestellter und nahm das Fahrrad mit. Später sah ich, daß es auf der Lok stand.

Pünktlich um halb sieben fuhr der Zug vom Bahnhof ab. Ich saß in der ersten Klasse, die mir eher wie die vierte oder fünfte Klasse vorkam. Zwischen zwei Frauen mit je einem Kind und einem begleitenden Mann, saß ich ziemlich eingeklemmt auf einer der kleinen, einander gegenüberstehenden Holzbänke. Immerhin am Fenster und in Fahrtrichtung. Gut drei Stunden brauchte der überfüllte Bummelzug für die achtzig Kilometer. Noch während die Bahn durch Huancayo fuhr, natürlich auf völlig ungesicherten Schienen, kamen die ersten Essenverkäufer und boten ihre Nahrungsmittel an, die ziemlich selbstgemacht aussahen. Es schien mir, als sei das Essen die beliebteste Beschäftigung der Peruaner, um sich die Langeweile der Fahrt zu vertreiben. Meine Nachbarn fütterten die Kinder jedenfalls ausgiebig. Ich schätzte, daß sie für das Essen etwa doppelt soviel ausgaben, wie für die Fahrkarte, die aber mit knapp vier Mark ziemlich billig war.

Mit zunehmender Fahrt wurde die Landschaft immer beindruckender. Das Mantarotal hatte sich soweit verengt, daß es weder für eine Straße noch den Schienestrang gereichte hatte. Der Schienenweg und die ungeteerte Straße hatten sich jeweils einen eigenen Weg über den Paß gesucht; ich sah die Straße erst sehr viel später wieder. Ich bemerkte Kreidekalkfelsen und viel ältere vulkanische Sedimente in der Lücken der teilweise recht dichten Vegetation. Stellenweise sah ich Terrassenfelder, an den Hängen der sich bis tausend Meter über das Flußniveau erhebenden Berge, die das nun langsam wieder breiter werdende Tal des Río Mantaro begrenzen.

In der letzten halben Stunde vor meinem Zielbahnhof, Mariscal Cacerés, kam eine recht angenehme Unterhaltung mit den beiden knapp dreißigjährigen Frauen und dem Mann der ungefähr fünfzig war, zustande. Ein netter Small Talk ohne Tiefgang, genau das richtige, um sich die Zeit zu vertreiben. Als die Station von einem Schaffner angesagt wurde, verabschiedeten wir uns freundlich und ich verließ den Zug.

Vor dem Zug hatte sich eine Menge Schaulustige versammelt, denn einen Bahnhof in eigentlichen Sinne gab es nicht. Ich lief zur Lok vor und überwachte das Abladen des Fahrrads. Die drei Männer stellten sich ziemlich blöd an, und ich befürchtete dauernd einen Schaden. Meine Anweisungen und Kommentare wurden in Verlauf der Aktion immer böser, weil sie sich recht ungeschickt anstellten. Wie recht ich hatte, fand ich aber erst später heraus. Aber, wenn ich den Schaden früher bemerkt hätte, wäre das auch kein Vorteil gewesen. Ersatzteile bekam ich in dem kleinen Ort sowieso nicht und die Männer sahen aus, als hätten sie gerade genug Geld, um sich und ihre Familien zu ernähren. Und daß die Bahngesellschaft sich verantwortlich gezeigt hätte, bezweifle ich. So stieg ich auf und verließ das Nest.

Die Härten der Etappe

Nach einigen Kilometern fand ich eine Stelle, die mir geeignet erschien, eine kurze Essenspause einzulegen, da ich im Zug nichts gegessen hatte. Als ich anschließend weiterfahren wollte, riß sich der Low Rider an der Vordergabel los und ich verlor eine Speiche. Offenbar war das eine Folge des unsachgemäßen Abladens. Ich war demnach gezwungen, die entsprechende Satteltasche an den Lenker zu hängen, was auf der unebenen Schotterstraße kein Vergnügen war. Weil der Luftdruck im Hinterreifen offenbar zu niedrig war, riß im weiteren Verlauf der Etappe eine weitere Speiche.

Die Straße, die in einem ziemlich schlechten Zustand war, führte dem Mantaro entlang. An steilen Abbruchkanten konnte ich auf der gegenüberliegenden Seite des etwa knietiefen, zwanzig bis fünfundzwanzig Meter breiten Flusses graue bis silbrig glänzende, metamorphe, gefaltete, Schiefer sehen. Aber die vielen Unebenheiten und Schlaglöcher zwangen mich, meine Konzentration auf die Straße nicht zu vernachlässigen. Trotz des in der Karte verzeichneten Hohenverlusts, mußte ich immer wieder bergauf strampeln. An diesen höhergelegenen Abschnitten sah ich einen braungrauen Vulkanit anstehen, der stellenweise Spuren starker mechanischer Beanspruchung zeigte. Die Vegetation dieses ziemlich menschenarmen Streckenabschnitts war durch dornige Büsche und trockenes Gras zwischen den Geröllbrocken an den Hängen gekennzeichnet.

Als ich gerade von einem der kleinen Pässe hinunterfuhr, verlor mein Hinterrad in einer Kurve die Bodenhaftung auf dem Rollsplitt, der hier zwischen den größeren Brocken und dem getrockneten Schlamm diese unsägliche Piste bildete. Ich stürzte hart in die Steine am Straßenrand. Ich kam zwar ziemlich schnell wieder auf die Beine, aber zum weiterfahren brauchte ich ein paar Minuten. Ich hatte Schmerzen im linken Unterschenkel, der den Sturz aufgefangen hatte, und Hautabschürfungen am linken Arm und am linken Bein. Immerhin hatte das Fahrrad nichts abbekommen und, soweit ich das beurteilen konnte, auch das Gepäck nicht.

Als ich mich endlich Quichuas nährte, mußten noch zwei kleine, unbeleuchtete Tunnel und ein Nebenfluß des Mantaro durchquert werden, bis ich endlich das Wasserkraftwerk, das kurz vor dem Nest liegt, unter mir liegen sah. Die Wächter, die offenbar das Fotografierverbot am Kraftwerk kontrollierten, meinten es ei nicht mehr weit bis in den Ort. Außerdem war hier die Straße wenigstens auf einigen hundert Metern betoniert. Obwohl ich nur gut dreißig Kilometer an diesem Tag geschafft hatte, kam es mir, ob der schwierigen Bedingungen, viel weiter vor.

Quichuas

Das Hotel, das einzige, das mir schon die Wächter angekündigt hatten, war in dem kleinen Ort nicht schwer zu finden, obwohl es etwas versteckt liegt. Mit der Außentoilette, die ich vorsichtshalber nochmal reingen ließ, während ich zum Mittagessen war, hatte ich gerechnet. Das Zimmer war klein und enthielt kaum mehr, als das Bett. Nach der Dusche stellte ich fest, daß die Mobilattube aufgeplatzt war, aber glücklicherweise war noch nicht viel ausgetreten. Nachdem ich meine Verletzungen behandelt hatte, ruhte ich mich erst mal aus.

Eine kurze Stärkung in der tienda und ich machte mich an die Radreparatur. Außer dem Wechseln der beiden Speichen vorne und hinten, mußte ich einen Weg finden, den Low Rider erneut so fest zu kriegen, daß ich die Satteltasche wieder befestigen konnte. Mit Einbruch der Dunkelheit mußte ich die Arbeit einstellen und bin zum Abendessen, mit dem ich, wie bereits zu Mittag recht zufrieden war. Nur, daß ich mein Bier selbst holen mußte.

Als ich die Flasche in die tienda zurückbrachte und dort noch ein Bier nahm, sagte mir der Besitzer, daß er seinen siebzigsten Geburtstag feiere – und ich solle doch mit ihm und dem Mann seiner Enkelin Rum trinken. Ich wollte nicht unhöflich sein und gedachte, eine kleine Weile zu bleiben. Unter den Gesprächen mit dem alten Mann, der mir erzählte, er sei Offizier bei der Nationalgarde gewesen und seinem Schwiegerenkel, der in Lima arbeitete, verflüssigte sich der Abend jedoch zusehends und ich kehrte erst gegen Mitternacht ins Hotel zurück.

Zu den Schmerzen im Bein gesellte sich beim Aufstehen gegen neun Uhr der Kater. Außerdem war der Low Rider immer noch nicht fest. Also versuchte ich nach der Selbstmedikation und dem Frühstück erneut mein Glück. Ich saß bis Mittag am Fahrrad, ohne für den die Satteltaschenbefestigung eine zufriedenstellende Lösung gefunden zu haben. Immerhin konnte ich einige reguläre Wartungsarbeiten rund um die Kette erledigen. Zum Mittagessen holte ich mir in der Bäckerei ein paar Brötchen und hielt danach Siesta.

Da meine Versuche mit dem Sekundenkleber die gebrochene Halterung zu reparieren, nichts fruchteten, suchte ich den Ortsschlosser auf. Weil er nicht da war, gab mir seine Frau ein Stück, alten rostigen Maschendraht, mit dem es mir gelang den Low Rider so zu befestigen, daß die Satteltasche hielt. Anschließend flickte ich den Schlauch. Meine Versuche, die Bremsbacken auszutauschen, mußte ich aufgeben, weil die Imbusschrauben rund zu werden begannen. Durch die Höhenschläge, die ich am Hinterrad gehabt hatte, bevor der Japaner mir das Hinterrad neu einspeichte, war der Mantel an einigen Stellen dünn geworden, was sich auf den übermäßig schlechten Straßen dieser Region noch verstärkte. Immerhin fuhr ich noch die ersten Reifen.

Wegen der für andine Verhältnisse mäßigen Höhe von knapp dreitausend Metern fand ich das Klima sehr angenehm und mild. Wenn die den Ort umgebenden grünen Hänge nicht so steil gewesen wären, würde die schöne Landschaft zum Spazierengehen einladen. Für Touristen müßte allerdings auch die Infrastruktur im Ort erheblich besser sein.

Nachdem ich meine Wasservorräte durch Selbstfiltern aufgefrischt hatte, weil sich in diesem Nest offenbar niemand abgefülltes Wasser leisten kann, ging ich zum Abendessen, wieder mit meinem eigenen Bier. Ich hatte in eine andere tienda gehen müssen, da das Geburtstagskind vom Vortag offenbar den ganzen Tag nicht aus dem Bett gekommen war und seinen Laden zu ließ.

Das Abendessen war mir sofort suspekt. Bei diesen Straßenverhältnissen ist es viel zu weit zum Meer und Calamares daher unangemessen. Aber es gab nichts anderes und so ergab ich mich in mein Schicksal, denn ich hatte vorher schon die Alternative in der Küche gesehen und gehört: Meerschweinchen. Nicht, daß ich es grundsätzlich verweigert hätte, diese Lokalspezialität zu essen, aber die vorangegangenen Mahlzeiten in diesem Restaurant waren so verträglich gewesen, daß ich keinen Grund hatte, zu glauben, daß diesmal anders würde.

Als ich nach dem Essen die Flasche zurückbrachte, saßen eine Reihe von Männern im Laden. Ich hatte sowieso noch ein Bier trinken wollen und wir unterhielten uns. Sie erzählten mir Horrorgeschichten von den schlechter werden Straßenverhältnissen und tiefen Flüssen ohne Brücke, die ich zu überwinden hätte. Mich konnten sie allerdings nicht erschrecken. Als erheblich ätzender empfand ich es, daß sie mich gringo nannten. In allen Ländern, die ich vorher bereist hatte, unterschied man zwischen Europäern und Nordamerikanern. Diese Leute dachten jedoch nicht daran. Daher fragte ich sie, ob sie denn blöder wären, als die anderen, die ich vorher getroffen hatte. Wir erzielten keine Einigung und ich mußte mich im Lauf der Fahrt noch öfter über diesen Bildungsmangel gepaart mit Sturheit ärgern. Nach dem zweiten Bier ging ich zurück ins Hotel und verbesserte die Heilung des Beins mit Mobilat. Ich war zufrieden über den bisherigen Verlauf und hoffte, am nächsten Tag schmerzfrei fahren zu können.

Wieder im Mantaro-Tal

Die Vorbereitungen an Morgen zogen sich in die Länge und ich kam erst nach neun Uhr los. Mein Bein schmerzte zwar nicht mehr, aber dafür nieselte es aus dem wolkenverhangenen Himmel. Die schlechten Straße war nun nicht mehr staubig, sondern schlammig. Wegen der vielen Schlaglöcher, die teilweise unter Wasser standen, konnte ich weder der Landschaft noch der Geologie viel Aufmerksamkeit schenken. Ich fuhr innerhalb des Tals auf einer ziemlich welligen Straße, je nach Höhenlage, vorbei an Vulkaniten oben und darunter schwarzen oder silbrig glänzenden, metamorphen Schiefern. Immerhin wurde das Wetter langsam besser.

Aber die Calamares vom Vorabend erzeugten massive Verdauungsprobleme. Da die Hänge zu steil waren, um das Fahrrad an eine unzugängliche Stelle zu schieben, blieb mir nichts anderes übrig, als dem Durchfall hinter dem Fahrrad, das ich mit einer Hand hielt, freien Lauf zu lassen. Wenigstens herrschte kein Verkehr auf der Piste und nur selten sah ich an den gegenüberliegenden Hängen in großer Entfernung wenige Bauern.

Die Straße, die niemals auf einem Niveau gehalten werden konnte, wurde an mindestens einem halben Dutzend Stellen von mehr oder weniger kleinen Bächen überflossen. Die bis knietiefen und etwa fünf Meter breiten Bäche waren durch die Regenzeit angeschwollen und recht schlammig. Dadurch wurde das beschleunigte Durchfahren zum Glücksspiel. Den seichtesten Weg zu finden war sowieso kaum möglich, aber wenigstens entging ich meistens den Hindernissen in Form von größeren Gesteinbrocken, die die Radfahrt unsanft und abrupt beenden konnten. Allein der Tiefe einiger Bäche war es zu verdanken, daß ich bald nasse Füße hatte.

Trotz der Regenzeit war es aber hier nie kühl, so daß ich wegen einer Erkältung keine Bedenken hatte. Als die Straße an einer Stelle ganz nahe am Mantaro, der Hochwasser führte, entlanglief, war sie gut eine halben Meter tief überschwemmt. Ich fuhr quasi in den Fluß hinein und überwand die gut dreißig Meter. An dieser Stelle gab’s ausnahmsweise Verkehr. Hinter mir war ein Reisebus aufgetaucht, der allerdings wartete, bis ich wieder auf einem trockenen Teil der Straße war. Im Weiterfahren sah ich mich triumphierend um und mein Blick fragte, ob der Fahrer sich nicht traue. Daraufhin fuhr er an und durchquerte offenbar mit geringeren Schwierigkeiten die überflutete Stelle.

Schließlich kam ich an einen ausgewachsenen Fluß, der hier in den Mantaro mündet. Der Fluß war mindestens fünfzig Meter breit und stellenweise ziemlich reißend. Außerdem erschein er mir tiefer, als die Bäche, die ich vorher durchquert hatte. Ein Bagger, der sonst Erde und Geröll von den vielen Erdrutschen in den Fluß kippte, damit eine Furt gewährleistet ist, war damit beschäftigt, einen LKW, der steckengeblieben war freizuschleppen. Dahinter standen zwei oder drei Fahrzeuge, die darauf warteten, daß der Übergang wieder passierbar wurde. Ich hielt an und drehte mir eine Kippe, während ich ebenfalls wartete. Einige Kinder und Jugendliche, die offenbar nichts besseres zu tun hatten, sahen sich die Rettungsaktion des Baggers an. Als sie mich erblickten, waren LKW und Bagger vergessen und ich wurde zur Hauptattraktion. Während ich mich mit ihnen unterhielt, kam der Baggerführer und sagte, er wolle mich hinüberbringen, aber es würde noch etwas dauern, bis der LKW die Furt nicht mehr blockierte. Es dauerte gut eine halbe Stunde, bis der Baggerfahrer zurückkehrte, ohne daß der Laster, der über eine Anhänger verfügte, befreit worden war. Er forderte mich auf, das Fahrrad in die Schaufel zu schieben. Gemeinsam mit dem Fahrrad und mir hob er die Schaufel an und wir fuhren durch den Fluß. Auf der anderen Seite standen ebenfalls einige Vehikel, die auf den freien Übergang warteten. Nachdem ich mich bei dem Baggerfahrer bedankt hatte, fuhr ich den Berg hoch, die Straße weiter.

Der sich über einige Kilometer erstreckende Anstieg führte mich gut zweihundert Meter über den Fluß. Ich fuhr an einigen Hütten vorbei, zwischen denen ich sehr ärmliche Kinder spielen sah, die sofort mir ihre Aufmerksamkeit zuwandten. Weiter oben nahm ich ein paar Kokablätter, weil ich zu recht befürchtete, daß die Anstrengungen auf der von gelegentlichen Erdrutschen in Mitleidenschaft gezogenen Straße, weitergehen würden. Der Ausblick, als ich oben schwitzend und außer Atem ankam, war beeindruckend. Unter mir wand sich der Mantaro durch ein enges Tal, das von steilen Hängen, mit spärlichem Pflanzenwuchs, begrenzt wurde. Weiter oben war die Vegetation dichter und im Hintergrund waren höhere Berge im Dunst schemenhaft erkennbar. Nach einer kurzen Wegstrecke begann sich die Straße, die auf dieser Seite etwas besser schien, langsam wieder auf das Flußbett des Mantaro abzusenken.

Anco

Schließlich erreichte ich den Ort La Esmeralda de Anco. Ein Smaragd, wie der Name impliziert, war das Nest keineswegs. Immerhin fand ich bald eine sauber aussehende Kneipe, wo ich mich stärkte. Die Besitzerin bot mir an, da es in den örtlichen Pensionen keine Dusche gab, bei ihr zu duschen. Ich nahm das Angebot gern an, sagte aber zuerst wolle ich mein Zimmer beziehen. Ihr knapp zwanzigjähriger Sohn, der später hinzukam, war vor die Tür getreten und rief mich zu sich, weil er gerade ein huaico beobachtete. Der Erdrutsch fand in etwa drei Kilometern Entfernung an einem steilen, aber grünen Hang zwischen zwei Bergen statt. Ich hatte bisher nur die Resultate solcher Gleitungen des Bodens auf dem Gestein gesehen und war natürlich sehr interessiert. Obwohl Regenzeit war und der Boden deshalb feucht sein sollte, sahen wir eine beachtliche Staubwolke, die leider den Blick auf das eigentliche Geschehen etwas verschleierte. Eine Viertelstunde dauerte der Vorgang, der auch akustisch wahrnehmbar war. Wir gingen zurück ins Restaurant, wo ich mein Bier leerte und mich verabschiedete.

Die Besitzerin hatte mir die beiden Pensionen, die weiter südlich in dem langgestreckten Straßendorf zu finden waren, beschrieben und ich machte mich auf den Weg. Vorbei an einer recht neu aussehenden Toilettenbarracke und einigen tiendas erreichte ich schließlich die erste der beiden Pensionen. Gabi, die schwarze Besitzerin, zeigte mir ein sehr einfaches Zimmer, das aus einer Abteilung eines großen Raumes mit dünnen Sperrholzplatten geschaffen worden war. Darin stand lediglich ein altes Bett mit durchgelegener Matratze. Für eine Nacht hätte ich das hingenommen, aber als ich nach dem Bad fragte, hieß es, es gäbe in dem schlammigen Hof einen Wasserhahn der etwa einen Meter aus dem Boden ragte.

Schlimmer noch war die Toilette. Eine gut einen Meter hohe, rohe Bretterbude im Garten mit einem Loch in der Mitte. Sonst nichts. Und das war das beste Hotel am Ort. Ich konnte es nicht glauben und probierte noch das andere, ein paar Meter die Straße runter. Ein Blick in den Hof belehrte mich, daß es hier noch schlechter war. Außerdem wollte mich das Mädchen, das mir geöffnet hatte, das Zimmer gar nicht erst zeigen. Ich kehrte also, wie ich es Gabi angekündigt hatte, falls die Alternative nicht entscheidend besser gewesen wäre, zurück und bezog das Zimmer. Anschließend packte ich das Nötigste zum Duschen ein und kehrte zu dem Restaurant zurück. Aber der Laden war dicht und niemand öffnete mir. Verärgert ging zurück ins Hotel. Da die Dämmerung bereits einsetzte, nahm ich meine Taschenlampe mit, weil für diese Tageszeit Stromausfall angesagt war.

Ich fand das Restaurant, das der radfahrende Engländer vor mir in seinem Bericht für den South American Explorer Club erwähnt hatte und wollte dort ein Bier trinken, vor dem Abendessen. Wie üblich, fragte ich vorher nach dem Preis. Der war aber so unverschämt, daß ich sofort gegangen bin und beschlossen habe, woanders essen zu gehen. Dabei stieß ich auf die tienda einer jungen Frau, in der ich zu einem vernünftigen Preis mein Bier bekam. Sie war genauso erpicht darauf, sich mit mir zu unterhalten, wie ich es schon von anderen Ladenbesitzerinnen erlebt hatte und ich ließ mich in ein unverbindliches Gespräch verwickeln. Nach dem zweiten Bier fragte ich sie nach einem Restaurant, wo ich zu Abend essen könne. Sie empfahl mir eines. Ich fragte sie, ob sie mit dem Besitzer verwandt sei und sie bestätigte es. Ich erinnerte mich an meine Erfahrungen, die ich mit solcherart Empfehlungen gemacht hatte und berichtete ihr davon. Trotzdem schickte sie mich zu ihren Verwandten.

Das Essen in dieser ziemlich ätzenden Bauernkneipe hatte den einzigen Vorteil, halbwegs verträglich zu sein, wie ich am nächsten Tag konstatieren konnte. Meine Verärgerung über die Frau, die mich in ein solches Loch geschickt hatte, wo man sich zuerst zierte, mich zu bedienen, war grenzenlos. Der Strom war inzwischen wieder da und in der schwachen Straßenbeleuchtung gewahrte ich sie vor ihrer tienda. Ich ignorierte ihre Worte und lief einfach an ihr vorbei, ohne sie anzusehen. Der Versuch einen anderen Laden für ein letztes Bier zu finden, erwies sich als schwierig, aber schließlich war ich erfolgreich. Ziemlich verärgert über dieses Kaff, das sicher zusammen mit dem ecuadorianischen El Quinche das übelste war, in dem ich Station gemacht habe, kehrte ich zu meiner Unterkunft zurück. Der einzig positive Aspekt des Abends war der Sternenhimmel, den ich bei den Wanderungen durch dieses Nest gesehen hatte.



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